98 Nas Veetsche Reich und seine einfelnen Glieder. (März 17.)
Adelstitels. In der Tat haben wir in unserer Armee eine Anzahl
adeliger Regimenter, wie wir sie früher nicht gekannt haben. (Hört, hört.)
Es sind in gewissen Garnisonen gewisse Regimenter, die seit einiger Zeit
angefangen haben, nur adelige Aspiranten aufzunehmen. Sie werden sich
wohl gescheut haben, zu sagen: wir nehmen nur Adelige an, denn dazu ist
kein Regimentskommandeur in der Armee befugt, sie werden aber Zulauf
gehabt haben und haben die Adeligen genommen. Ich bin mit dieser Art,
wie sich diese Sache jetzt gestaltet hat, in keiner Weise einverstanden.
(Hört, hört!) Ich hoffe, daß Abhilfe geschafft wird, denn sie muß geschafft
werden. (Lebhafte Zustimmung.) Es ist in keiner Weise zulässig, es ist
zum Schaden der Armee, wenn man es aufkommen läßt, von Regimentern
erster und zweiter Klasse zu sprechen (lebhafte Zustimmung) und etwa die
adeligen Regimenter als erster Klasse, die unadeligen als zweiter zu be-
zeichnen. Das hat sich allmählich entwickelt und es ist sehr eigentümlich,
denn ich habe Ranglisten von Regimentern gehabt, die jetzt nur aus adeligen
Offizieren gebildet sind und die doch in den Jahren 13, 14 und 15, 66
und 70 eine Reihe bürgerlicher Offiziere vor dem Feinde verloren haben,
Offiziere, die den Ruf ihrer Regimenter begründet haben; das sollten ihre
Kommandeure nicht vergessen. (Hört, hört! links.) Das paßt auch nicht
zur allgemeinen Wehrfähigkeit. Wer die Geschichte der preußischen Armee
kennt, der kennt damit allerdings auch die Geschichte des preußischen Adels.
Der preußische Adel hat Gut und Blut, alles was er hatte, geopfert im
Heeresdienst, und die Traditionen des Heeres knüpfen nicht allein an
die Herrscher, sondern sie knüpfen auch an die Geschlechter dieser Fa-
milien an, die alles geopfert, als Führer den Königen und dem Lande
Großes geleistet haben. Es wäre höchst unpraktisch, diese Familien zu
vernachlässigen, weil sie auch heute noch eine Quelle sind für guten und
tüchtigen Offiziersersatz. Aber ich bin auch überzeugt, diese Familien
selbst wollen es auch gar nicht, daß damit etwa das bürgerliche Ele-
ment zurückgesetzt werde. (Gelächter der Sozialdemokraten. Abg. Rogalla
v. Bieberstein (kons.] ruft: Sehr wahr!) Das bürgerliche Element, auf das
wir heute angewiesen sind, und wir wollen nicht vergessen, daß einige
unserer größten Söhne in der Armee bürgerlicher Abstammung gewesen
sind. Anders aber ist es, wenn davon gesprochen wird, daß der Adel im
Avancement bevorzugt wird. Das ist nicht wahr. (Lachen der Sozial-
demokraten.) Sie können lachen, soviel Sie wollen, dadurch wird die
Sache nicht wahr. Sie können mit einem Manne nicht rechnen, der seit
langer Zeit an Stellen steht, wo er über diese Dinge mit zu entscheiden
hat. Ich habe noch niemals gefragt, und diese Herren hier sind Zeugen,
und wenn ich etwas sagte, was nicht wahr wäre, so würde ich in Ihrer
Achtung sinken — ich habe noch nie gefragt: Ist der Mann adelig, ist er
unadelig? Ich habe nur gefragt: Ist er tüchtig? (Lärm bei den Sozial-
demokraten. Beifall.) Unterbrechen Sie mich doch nicht immer, oder viel-
leicht einigen Sie sich, daß nur einer von Ihnen spricht; aber auf Ge-
murmel von Stimmen kann ich nicht antworten.
Danach habe ich mein Ministerium gebildet. Ich muß es aufs
allerbestimmteste bestreiten, daß bei der Versetzung in den Generalstab
der Adel bevorzugt wird. Das ist einfach unwahr. Ich bin selbst im
Generalstab gewesen, ich bin hier als Leutnant kommandiert worden, bin
in den Generalstab versetzt. Wir haben nicht danach gefragt: Sind wir
Adelige oder sind wir Unadelige, sondern wir haben einfach unsere Pflicht
getan und sind dankbar gewesen, daß man uns ausgesucht hatte, aber wir
haben es dem alten Feldmarschall Moltke nicht zugetraut, daß er darin
einen Unterschied machte. Deshalb empfinde ich es als eine Beleidigung