102 HNas Vetsche Reich und seine einzelnen Slieder. (März 17./18.)
17./18. März. (Reichstag.) Die deutschen Flottenrüstungen.
Die Budgetkommission des Reichstags begann die Beratung des
Marine-Etats.
Staatssekretär v. Tirpitz ging auf die Besprechung im englischen
Unterhaus ein; dann beschäftigte er sich mit den Ausführungen des
Bizeadmirals Gasster und erklärte, daß diese in der Marine selbst keinen
Boden hätten. Was richtig an seinen Forderungen sei, wäre bereits aus-
geführt, namentlich in Bezug auf die Kreuzerfrage. Unser Torpedoboots-
wesen sei durchaus ausreichend entwickelt. An den Bau von Unterseebooten
sei man erst herangetreten, nachdem die vielen technischen Unvollkommen--
heiten beseitigt worden seien. Galster sei gar nicht in der Lage, die Ver-
hältnisse zu übersehen, da er schon mehrere Jahre inaktiv sei. Die Front-
offiziere seien aus naheliegenden Gründen überhaupt nicht orientiert über
den tatsächlichen Stand unserer Rüstung. Der Staatssekretär weist auf
die Irrigkeit der Berechnung des Lords der englischen Admiralität MeKenna
hin über die Zahl der 1912 bei uns vollendeten Dreadnoughts.
Ein Zentrumsabgeordneter kommt auf die Ausführungen des
Reichskanzlers über die Abrüstung zurück. Internationale Abrüstung sei
ganz etwas anderes als ein Uebereinkommen speziell mit England zur
Beschränkung des Flottenbaues. Die Ausführungen Galsters halte er doch
für bedeutungsvoll. Bei uns werde die Geheimniskrämerei viel zu weit
getrieben.
Auch der Vertreter der Freisinnigen meint, daß der Staats-
sekretär die Bedeutung der Galsterschen Schriften unterschätze. Es gebe
viele Seeoffiziere, die ihm zustimmten. In der Unterseebootfrage habe
Galster durchaus recht, der Küstenschutz müsse das Primäre, die Schlacht-
flotte das Sekundäre sein, der Schwerpunkt der Verteidigung Deutschlands
bleibe stets das Landheer.
Von nationalliberaler Seite wird dem Staatssekretär rückhaltlos.
das Vertrauen ausgesprochen. Am Flottengesetz dürfe nicht gerüttelt werden.
Ein Zentrumsredner wendet sich gegen die Ausführungen des
Nationalliberalen und hält die Ausführungen der inaktiven Offiziere doch für
wertvoll. Sei es möglich, mit England zu einer Vereinbarung über den
Flottenbau zu kommen? Nach den gestrigen Aeußerungen des englischen
Premiers sei Deutschland wiederholt aufgefordert, sich mit England über
den Flottenbau zu einigen. Aus welchen Gründen sei die englische An-
frage abgelehnt? Sei in Deutschland Geneigtheit vorhanden, auf die eng-
lischen Anregungen einzugehen? In seiner Auffassung sei er (Redner) in
Uebereinstimmung mit maßgebenden Persönlichkeiten der Diplomatie. Sei
überhaupt bei der völlig veränderten Situation die Grundlage unseres
Flottengesetzes noch aufrecht zu erhalten?
Der Staatssekretär erklärt, eine Anregung von England
aus sei nicht erfolgt. Er halte die ganze Erörterung für inopportun.
Die Voraussetzung in Bezug auf den deutschen Flottenbau, von der man
in England ausgehe, sei nicht richtig. In der Unterseebootfrage sei er
mißverstanden worden.
Ein Zentrumsredner hält zu große Heimlichkeit mit Tatsachen,
die allgemein bekannt seien, doch für höchst überflüssig. Experimente mit
Schlachtschiffbau seien viel kostspieliger als im Unterseebootwesen. Er glaube
auch, daß man zu einem Handelsabkommen mit England kommen muüsse.
Ein Vertreter der Reichspartei hält es für einen Fehler, wenn
man nicht so schnell wie möglich große Linienschiffe baue, wie es jestzt
geschehe, sondern erst auf diesem Gebiete das Ergebnis von Experimenten