Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Das Deutsche Reich und seine rinzelnen Slieder. (März 18.) 103 
abwarten wollen. Der sicherste Weg zum Frieden sei Festhalten am 
Flottengesetz. 
Ein freisinniger Redner glaubt, daß man Admiral Galster für 
seine Ausführungen dankbar sein könne. Darin liege keinerlei Mißtrauen 
gegen die Marineverwaltung. Das Flottengesetz habe doch ein anderes 
Gesicht bekommen, da seine Ausführung doppelt so viel koste, wie an- 
genommen worden sei. Der Redner fragt, ob man einstweilen mit dem 
Flottengesetz auskommen könne. 
Der Staatssekretär erklärt, nach dieser Richtung hin könne er 
beruhigend antworten. Nach Ausführung des Flottengesetzes werde unsere 
Flotte ausreichend sein, soweit man überhaupt für absehbare Zeit 
voraussagen könne. Das habe auch der Reichskanzler bereits erklärt. 
Ein Zentrumsredner hält eine Vereinbarung mit England für 
dringend nötig, das sei die allgemeine Meinung auch weitester Kreise. 
Von deutscher Seite müsse man daher mehr entgegenkommend sein, da man 
England sonst zum Schutzzoll treibe: das werde für uns die allergrößte 
Schädigung sein. Man müsse nun aber endlich einmal genau erfahren, 
was eigentlich zwischen Deutschland und England verhandelt sei. 
Von nationalliberaler Seite wird die englische Invasionsfurcht 
scharf kritisiert, die jeder Grundlage entbehre. Unsere Flottenrüstungen 
bedrohten in keiner Weise die englische Weltmachtstellung. England fühle 
sich tatsächlich lediglich bedroht durch unsern wirtschaftlichen Aufschwung. Es 
sei damit zu rechnen, daß in England die konservative Regierung bald ans 
Ruder komme und damit auch der Schutzzoll. Entschieden wendet sich der 
Redner sodann gegen die Resolution der Altonaer Handelskammer, die 
glücklicherweise vereinzelt geblieben sei. 
Ein konservativer Redner kommt auf die Aeußerungen des 
Grafen Kanitz und die Artikel der Kreuzzeitung zurück und erklärt die 
Uebereinstimmung der Mehrheit seiner politischen Freunde mit diesen 
Darlegungen. Unsere Armee müsse für alle Zeit die Hauptsache bleiben. 
Es sei richtiger, jährlich nur zwei Schlachtschiffe zu bauen, keinesfalls aber 
irgendwie über das Flottengesetz hinauszugehen. Er empfehle daher eine 
Verständigung mit England, wobei die Stellung zur Flottenvermehrung 
der Angelpunkt sei. Weiter tritt der Redner sehr warm für Admiral 
Galster ein. Ein anderer konservativer Redner erklärt, daß die Aus- 
führungen seines Fraktionsgenossen zum Teil sehr persönlicher Natur ge- 
wesen seien. 
18. März. Fortsetzung der Beratung der Budgetkommission 
über den Marineetat. 
Nach den Ausführungen des Staatssekretärs des Reichsmarineamts 
v. Tirpitz wird Deutschland im Jahre 1912 nicht 17, sondern nur 13 
sogenannte Dreadnoughts und Invincibles fahrbereit haben, und zwar 
nicht schon im Frühjahr, sondern erst im Herbst des Jahres 1912. Wie 
Mestenna auf die Zahl „17“ gekommen ist, hat er leider nicht bekannt 
gegeben. 
Von den Schiffen des Dreadnoughtstyps ist in Deutschland zurzeit 
noch keines fertiggestellt. Bis jetzt sind nur die Linienschiffe Nassau, West- 
falen, Rheinland und Posen vom Stapel gelaufen. Sie werden in der 
geits vom Herbst dieses bis zum Frühjahr nächsten Jahres vollendet sein. 
odann läuft gerade heute der erste große Panzerkreuzer in Hamburg 
vom Stapel. Seine Fertigstellung ist nicht vor Sommer 1910 zu erwarten. 
Das sind also zusammen fünf Schiffe der in Rede stehenden Arten. Auf 
Stapel liegen ferner die drei Linienschiffe Ersatz Oldenburg, Ersatz Sieg-
	        
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