Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

104 H Heutsche Reich und seine einelnen Slieder. (Marz 18.) 
fried und Ersatz Beowulf, sowie der große Kreuzer G, deren erste Bau- 
raten mit dem Etat von 1908 bewilligt wurden. Ihre Fertigstellung wird 
im Sommer oder Herbst 1911 zu erwarten sein. Dazu kommen schließlich 
noch die mit dem jetzt zur Beratung stehenden Etat von 1909 angefor- 
derten Schiffe, und zwar Ersatz Frithjof, Ersatz Heimdall und Ersatz Hilde- 
brand, sowie der große Kreuzer H. Diese Schiffe werden im Jahre 1912 
dienstbereit sein. Insgesamt sind das also 13 Dreadnoughts und Invicibles. 
Me Kenna hat dann von einer Beschleunigung des deutschen Flottenbaues 
gesprochen. Wie Admiral v. Tirpitz in der Budgetkommission schon vor 
kurzem ausführte, hat allerdings die Marineverwaltung zwei der im Etat 
1909 zum ersten Male geforderten Linienschiffe an zwei Privatfirmen vor 
Erledigung des Etats unter Vorbehalt der Bewilligung durch den Reichstag 
mit der Bedingung vergeben, daß diese Schiffe 36 Monate nach ihrer Be- 
willigung im Etat fertig sein sollen. Die Gründe für dieses Vorgehen 
waren lediglich wirtschaftlich-finanzieller, nicht aber militärischer Natur. 
Durch diese vorzeitige Vergebung suchte die Marineverwaltung einerseits 
unter Ausnutzung der sinkenden Konjunktur einen billigern Preis zu er- 
zielen, anderseits größern Arbeiterentlassungen durch die Werften wegen 
mangelnder Beschäftigung vorzubeugen. Diese beiden Schiffe werden nun 
also voraussichtlich schon im Frühjahr 1912, 1. April, fertig werden, da 
die 36monatige Lieferungsfrist vom Zeitpunkt der Bewilligung, als solcher 
gilt eiatsrechtlich der 1. April dieses Jahres, zu laufen beginnt. Schon 
aus diesem Umstand erhellt aufs klarste das Fehlen jedes militärischen 
Grundes für die vorzeitige Vergebung. Auch bleibt es völlig den beiden 
in Frage kommenden Werften überlassen, wann sie die Schiffe tatsächlich 
in Angriff nehmen und ihren Kiel strecken wollen. Soweit wir unterrichtet 
sind, ist für die beiden andern Schiffe dieses Etatsjahres noch nicht einmal 
die Submission ausgeschrieben worden; vielmehr scheint bei dieser Inbau- 
gabe eine erhebliche, durch technische Rücksichten verursachte Verzögerung 
eintreten zu sollen. Es wird daher leider mit der Fertigstellung dieser 
beiden Schiffe nicht vor dem Winter 1912 zu rechnen sein. Als Durch- 
schnittsvollendungszeit der vier im Jahre 1909 im Etat geforderten Schiffe 
ist also der Herbst 1912 anzunehmen. In den Jahren 1910 und 1911 
sollen bekanntlich ebenfalls je vier große Schiffe im Etat vorgesehen werden; 
dann aber sinkt die jährliche Bauquote auf zwei große Schiffe herab. Gerade 
in Berücksichtigung des letztern Umstandes ist wirklich nicht einzusehen, wie 
wegen des längst bekannten deutschen Flottenbauprogramms plötzlich eine 
derartige bedauerliche Unruhe in England entstehen konnte. Alle Ver- 
mutungen über eine über das Tempo des deutschen Flottengesetzes hinaus- 
gehende Beschleunigung des Ausbaues der deutschen Flotte entbehren tat- 
sächlich jeglicher Berechtigung. 
18. März. (Preußisches Herrenhaus.) Antrag des Grafen 
Mirbach, die Staatsregierung zu ersuchen, gegen jeden weiteren 
Ausbau der Reichserbschaftssteuer Stellung zu nehmen. 
Graf Mirbach erklärt: Mein Antrag datiert bereits vom Oktober 
v. J. Inzwischen hat die Staatsregierung eine Schwenkung in vollkommen 
entgegengesetzter Richtung vollzogen. Unser Präsident hat uns seitdem vor 
den Gefahren der Großstadt behütet. (Heiterkeit.) Der Nachlaßsteuer im 
Reichstag steht eine starke Majorität entgegen, in welcher die Konservativen 
den rocher de bronze bilden, ebenso wie sie im Abgeordnetenhaus einen 
rocher de bronze bilden gegenüber jedem Versuch der Erschütterung des 
preußischen Wahlrechts. Der Antrag ist daher in mehr als einer Richtung 
antiquiert, ich ziehe ihn daher zurück.
	        
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