106 Na Veutsche Reich und seine einjelnen Glieder. (März 19. 20.)
aufstellen wolle, unter der eine Einigung zwischen der Regierung und dem
Hause erreicht werden könne, so würde es ungefähr folgende sein: Das
Haus ist einig mit der Regierung darüber, daß abgewiesen werden muß
jeder Eingriff der Reichsregierung in das Gebiet der direkten Besteuerung
und in die Finanzoberhoheit der einzelnen Staaten. Das Haus ist mit
der Regierung weiter einig in der Auffassung darüber, daß kein Weg zur
Lösung der Frage in dem Kompromißantrag gefunden ist, der unlängst
von der Kommission des Reichstages angenommen wurde. Das Haus ist
endlich mit der Regierung einig darüber, daß einer doppelten Belastung
der Bundesstaaten mit Matrikularbeiträgen durch eine rein tatsächliche
Besteuerung des Besitzes entgegengetreten werden muß. Die Zweite Kammer
stimmte diesen Ausführungen des Finanzministers zu.
19. März. (Reichstag.) In der Finanz- und Steuer-
kommission wird die Inseratensteuer mit allen und die Plakat-
steuer gegen sechs Stimmen der Konservativen und Reichspartei
abgelehnt.
20. März. (Reichstag.) Die Gas= und Elektrizitätssteuer
wird gegen vier Stimmen abgelehnt.
20. März. (Reichstag.) Am fünften Tag der Beratung
des Militäretats erwidert Kriegsminister v. Einem auf die Aus-
führungen des Dr. Müller (Meiningen), in der Kriegsakademie
seien zwar 38 adelige und 100 bürgerliche Offiziere, aber in den
beliebten Abteilungen überwiege der Adel:
Die Offiziere kommen zur Kriegsakademie lediglich auf Grund eines
Examens bei den einzelnen Armeekorps. Der Adel hat dabei gar nichts
zu tun, nur die Fähigkeiten kommen in Betracht. Von den Lehrern der
Akademie sind zehn unadelig und sieben adelig. Ich würde sie beleidigen,
wenn ich behaupten würde, daß diese Lehrer, namentlich die unadeligen,
das adelige Element vorziehen, bei der Beurteilung, ob die Offiziere sich
zur Abkommandierung in den Generalstab eignen. Ich halte das für völlig
ausgeschlossen. Ich habe noch niemals, weder in meiner Jugend, weder
während meiner Generalstabszeit noch jetzt gehört, daß eine Bevorzugung
des Adels stattfinden soll. Im Generalstab sind von den drei Ober-
quartiermeistern zwei unadelig, und einer ist erst kürzlich geadelt worden.
Auch diese Offiziere sind maßgebend für das Eintreten der Offiziere in den
Generalstab. Von den Abteilungschefs sind sechs unadelig. Ich habe auch
noch niemals etwas von bevorzugten oder nicht bevorzugten Abteilungen
gehört. Es ist mir rätselhaft, woher Herr Dr. Müller das hat. Im
Generalstab weiß niemand etwas davon. Dr. Müller gibt an, daß die
russische Abteilung unbequem wäre. Warum, das kann ich nicht begreifen.
Die russische Abteilung kann nur von Herren besetzt werden, die russisch
in einem gewissen Maße verstehen. Nur solche werden also ausgesucht.
Für jemand, der die russische Sprache kennt, kann doch diese Abteilung
dann aber nicht besonders schwer sein. Schwierig ist die Eisenbahnabtei-
lung. Auch dort werden nur Offiziere eingestellt, die auf diesem Gebiete
unterrichtet sind. Niemals kommt der Adel bei der Besetzung der Stellen
in Betracht, sondern allein die Befähigung. Ich muß verlangen, daß das,
was ich sage, auch wirklich geglaubt wird. Es ist eine Beleidigung des
Chefs des Generalstabs, wenn behauptet wird, daß der Adel dort bevor-