118 Das Pentshhe Reiqh und seine einzelnen GSlieder. (März 29.)
worden. Bei den Verhandlungen ist von beiden Seiten mit staatsmännischer
Weisheit den Interessen beider Teile gedient worden, und ich glaube, daß
beide Teile Anlaß haben, sich zu dem gelungenen Abschluß Glück zu
wünschen. (Sehr richtig!) Nachdem eine Einigung unter den Nächstbetei-
ligten erzielt worden ist, wird die Zustimmung und die Anerkennung auch
der übrigen Signatarmächte des Berliner Vertrages nicht ausbleiben können.
Daß auch die Zustimmung Serbiens erforderlich sein soll, ist eine Zu-
mutung, die Oesterreich--Ungarn von Anfang an mit Recht abgelehnt hat.
(Sehr richtig!) Den serbischen Forderungen steht kein Rechtsanspruch zur
Seite. Die serbischen Rüstungen sind ein gefährliches Spiel. (Sehr richtig!)
Wenn es nun auch ein unerträglicher Gedanke sein mag, daß der euro-
päische Friede wegen Serbien gefährdet werden soll, so ist doch kein Grund
vorhanden, an Oesterreich-Ungarn oder die Türkei die Zumutung zu stellen,
unberechtigten serbischen Aspirationen nachzugeben. (Sehr richtig!) Aus
diesen Aspirationen darf kein Krieg, geschweige denn ein Weltbrand werden.
(Sehr richtig!) Ich habe die feste Zuversicht, daß das Friedensbedürfnis
in Europa stark genug sein wird, um einen solchen Weltbrand zu ver-
hüten. (Beifall.)
Die Haltung, welche die russische Politik neuerdings in der
Annexionsfrage eingenommen hat, bestärkt mich in dieser Hoffnung, und
für diese Haltung der russischen Politik hat sie und insbesondere Seine
Moajestät der Kaiser Nikolaus sich Anspruch auf Anerkennung und Dank-
barkeit aller Friedensfreunde in Europa erworben. Unsere Haltung gegen-
über der Konferenzfrage hat sich nicht geändert. Wir haben nach wie vor
keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine solche Konferenz, vorausgesetzt,
daß alle europäischen Mächte an ihr teilnehmen und daß das Konferenz-
programm vorher genau liiert und fest umgrenzt wird, denn wir wünschen,
daß die Konferenzberatungen nicht als Aufregungsmittel, sondern als Be-
ruhigungsmittel wirken. (Sehr richtig!)
Nun ist weiter gesagt worden, wir hätten uns bemühen sollen, die
bestehenden und nicht ungefährlichen Gegensätze zwischen den europäischen
Mächten auszugleichen. Es ist sogar behauptet worden, daß wir in dieser
Richtung nicht genug getan hätten. Dabei übersieht man, daß wir gar
keine Veranlassung hatten, eine übertrieben geschäftige Tätigkeit zu ent-
wickeln. Sobald eine Grundlage für eine vermittelnde Tätigkeit ge-
eben war, haben wir auch im ausgleichenden Sinne gewirkt. Wir sind.
in dieser Richtung nicht ohne Erfolg zwischen Wien und Konstantinopel
und zwischen Wien und Petersburg tätig gewesen. Dabei sind wir uns
allerdings stets der Grenzen bewußt geblieben, die wir einerseits unsern
eigenen Interessen, anderseits der Loyalität gegen Oesterreich-Ungarn bei
unsrer vermittelnden Tätigkeit zugrunde legen mußten. Ich will diese
Grenzen noch einmal definieren. Wir haben keinen Schritt getan und
werden keinen Schritt tun, der unvereinbar wäre, der mindestens Zweifel
ließe an unfrer Entschlossenheit, kein österreichisch-ungarisches Lebensinteresse
preiszugeben. (Beifall.) Und ebensowenig sind wir dafür zu haben, daß
an Oesterreich-Ungarn Zumutungen gestellt werden, die unvereinbar wären
mit der Würde der Habsburgischen Monarchie. (Beifall.)
Meine Herren! Unsere eigene Geschichte mahnt uns zur Vorsicht
auch auf dem Gebiete der ehrlichen Maklertätigkeit. Wem schwebte hier
nicht als großartigstes Beispiel der Berliner Kongreß vor! Diese welt-
geschichtliche Verhandlung wurde geführt durch den größten Staatsmann
des vergangenen Jahrhunderts. Sein leitender Gedanke war dabei, daß
zwischen den europäischen Mächten ein Krieg ausbrechen könnte, in den
Deutschland hineingezogen werden könnte. So machte der gewaltige Fürst