Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Das NVeche Reich und seine eimeluen Slieder. (April 25.) 147 
lichen Verhältnisse innerhalb und außerhalb der Grenze des BVaterlandes 
verändert haben und weiter verändern werden. Nach dem geltenden 
preußischen Recht bedürfen ausländische juristische Personen zum Erwerb 
eines Grundstücks und zur Ausübung eines stehenden Gewerbes der staat- 
lichen Genehmigung. Die gleichen Vorschriften bestehen nicht bezüglich des 
Erwerbes von Bergwerkseigentum und des Betriebes eines Bergwerks. 
Das ist nicht nur juristisch, sondern auch wirtschaftlich inkonsequent, denn 
dieselben Gründe, die für die Genehmigung des Grundstückserwerbs und 
des Betriebs stehender Gewerbe sprechen, sind auch hier maßgebend. Unfsr# 
Mineralien bilden einen wesentlichen Teil des Nationalvermögens; der Um- 
fang ihrer Gewinnung und die Art ihrer Verwendung sind für die Bolks- 
wohlfahrt oder doch für das wirtschaftliche Gedeihen weiter Bolkskreise 
von größter Bedeutung. 
Es kommt hinzu, daß das Gesellschaftsrecht andrer Länder von den 
im Inlande geltenden Grundsätzen wesentlich abweicht. Während das 
deutsche Aktienrecht den regelmäßigen gesetzlichen Mindestbetrag der Aktien 
auf tausend Mark bestimmt, begnügen sich die ausländischen Gesetze mit 
weit geringeren Beträgen, obwohl nicht zu verkennen ist, daß die Gering- 
wertigkeit der Gesellschaftsanteile den Anreiz zu ungesunden Spekulationen 
in solche Kreise des wirtschaftlichen Lebens trägt, die nach ihrer Lebens- 
stellung und ihrer Vermögenslage zur Beteiligung an dem Risiko berg- 
baulicher Unternehmungen nicht geeignet sind. Erwirbt eine ausländische 
Aktiengesellschaft ein inländisches Bergwerk, so gewinnt sie damit eine ge- 
eignete Grundlage, um ihre Aktien in den inländischen Verkehr zu bringen 
und es entsteht dann die Gefahr, daß die Mängel des ausländischen Gesell- 
schaftsrechts ihre schädlichen Folgen auch auf das inländische wirtschaftliche 
Leben ausüben. Aus diesen Gründen ist es geboten, daß über das Ein- 
dringen ausländischer juristischer Personen in den inländischen Bergbau eine 
gewisse staatliche Kontrolle ausgeübt wird. Das ausländische Kapital vom 
inländischen Bergbaubetriebe auszuschließen, liegt uns fern. Es bleibt die 
Möglichkeit des ausländischen Kapitals, Aktien zu erwerben, bestehen, aber 
wir wollen die Mittel des Ausschlusses ausländischer juristischer Personen 
haben, s#swet dies aus wirtschaftlichen oder politischen Rücksichten ge- 
boten ist. 
Aehnlich liegen die Verhältnisse bezüglich der außerpreußischen Ge- 
werkschaften. Es ist ja richtig, daß bezüglich der Gewerkschaften in manchen 
Bundesstaaten die Gesetzgebung ähnlich liegt wie in Preußen, aber es gibt 
auch eine Reihe von Bundesstaaten, in denen geringere Anforderungen 
gestellt werden. Es kann passieren, daß mehrere Personen ein wertloseres 
Bergwerk lediglich zu dem Zwecke erwerben, um eine Gewerkschaft zur 
Entstehung zu bringen und sodann die Gewerkschaftsform zum Betriebe 
anderer Berkwerke oder solcher Unternehmungen, für die die Gewerkschafts- 
fonm gesetzlich nicht zugelassen ist, zu verwenden. Es liegt nicht in unserer 
Absicht, die außerpreußischen Gewerkschaften auszuschliehen, aber die Re- 
gierung will auch hier die Möglichkeit der Kontrolle haben. Es soll uns 
das Recht zustehen, Gewerkschaften vom Bergwerksbetrieb in Preußen aus- 
zuschließen, deren Satzung Bestimmungen enthält, die nach den in Preußen 
geltenden Verwaltungsgrundsätzen nicht die zu ihrer Rechtsgültigkeit er- 
forderliche Genehmigung gefunden haben würden. 
Der Entwurf geht an eine Vierzehner-Kommission. 
25. April. Der deutsche Kronprinz trifft auf der Rückreise 
von Bukarest in Wien ein und wird von Kaiser Franz Joseph 
auf dem Bahnhofe abgeholt. 
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