148 HNos Vesche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 26.)
26. April. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Beratung
des Titels Ministergehalt im Kultusetat.
Finanzminister Freiherr v. Rheinbaben: „Ich bin heute als
Staatsminister hier erschienen, um das Interesse zu bekunden, das das
Staatsministerium an Ihren Verhandlungen nimmt. Die beiden Vor-
redner haben direkt gefragt, wer angesichts des Fehlens des Kultusministers
die Verantwortung für sein Ressort trägt. Sie werden mit mir der
Meinung sein, daß einem Manne, wie dem Minister Holle gegenüber, der
infolge der Einsetzung seiner ganzen Kraft für sein Amt das kostbarste
Gut, die Gesundheit, verloren hat, es geboten ist, an eine endgültige Regelung
seiner Nachfolgeschaft erst dann heranzugehen, wenn jede Hoffnung aus-
geschlossen ist, daß er sein Amt wieder übernimmt. Sie werden mit mir
darin einverstanden sein, daß die Herren vom Kultusministerium und vom
Finanzministerium die einzelnen Fragen hier erörtern und beantworten.
Die ministerielle Verantwortung für das Kultusministerium über-
nimmt das gesamte Staatsministerium.“
Auf die Klagen des Abgeordneten Marx (Ztr.) über die Behand-
lung der katholischen Orden antwortet Ministerialdirektor v. Chappuis:
Die Klagen über die Ordensgesetzgebung sind alt. Diese Gesetzgebung ist
nicht eine Eigenart Preußens, sondern ähnliche Bestimmungen finden sich
in andern großen deutschen Bundesstaaten, auch in Oesterreich-Ungarn
und Spanien. Wenn also Staaten mit überwiegend katholischer Bevöl-
kerung das für nötig halten, kann Preußen auch daran festhalten. (Sehr
richtig!) In der Frage der Ordensniederlassungen ist zwischen der preußi-
schen Regierung und der päpftlichen Kurie in den achtziger Jahren ein
modus vivendi geschaffen. Darauf hat der Minister in der Beantwortung
der Resolution vom 27. März 1903 hingewiesen. Nur unter der Voraus-
setzung, daß der konfessionelle Friede nicht gestört werde, seien Ordens-
niederlassungen zu gestatten. Abgesehen von dieser Voraussetzung sehe sich
die Regierung außerstande, der Resolution Folge zu geben. Der in den
achtziger Jahren zwischen der päpstlichen Kurie und der Regierung ge-
schaffene modus vivendi gilt noch heute.
Der Abgeordnete Eickhoff ifrs. Vp.) und D. Hackenberg ( nl.)
bringen den Fall Mahling als der üblichen Besetzung der Lehrstühle an
den Universitäten nicht entsprechend zur Diskussion.
Darauf antwortet Unterstaatssekretär Dr. Wever: Das Recht der
Berufung der Professoren steht nicht den Fakultäten, sondern der Krone
zu, die dieses Recht auch durch den Minister ausüben lassen kann.
Selbstverständlich legt der Minister höchsten Wert darauf, von den
Fakultäten bei der Besetzung der Professuren beraten zu werden. Auch
im Falle Mahling war es nicht anders. Ich habe zu erklären, daß
die Unterrichtsverwaltung den Professor Simons ganz außerordentlich
schätzt. Aber sie muß sich unter allen Umständen die Freiheit der Ent-
schließung darüber vorbehalten, ob sie den Fakultätsvorschlägen folgen
will, oder ob sie pflichtmäßig der Krone andere Vorschläge machen soll.
Im Falle Mahling sprachen gewichtige Gründe dafür, daß die Unter-
richtsverwaltung entgegen dem Vorschlag der Fakultät Mahling vor
Simons den Vorzug gab. Für diese Entschließung war maßgebend,
daß bereits an Stelle zweier Professoren der positiven Richtung liberale
Persönlichkeiten zu Nachfolgern gewählt waren. Diese Wahl hat schon
im vorigen Jahre zu lebhaften, und zum Teil erregten Dedatten in
diesem Hause geführt. Es kam hinzu, daß in Marburg ein Professor
für neutestamentliche Exegese aus der liberalen Richtung gewählt wurde.