Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

B# Neutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 27.) 149 
Schon damals mußte man sich sagen, daß, um institia distributiva zu üben, 
für den Posten des Professor Kleinert ein Nachfolger aus der positiven 
Richtung zu wählen war. Die Wahl Mahling war also nicht durch po- 
litische Erwägungen veranlaßt worden, sondern durch akadenische. Die 
Unterrichtsverwaltung hielt an dieser Persönlichkeit keineswegs fest, um 
einer bestimmten Partei zu dienen, sie will vielmehr etwaigen kirchlichen 
oder theologischen Einseitigkeiten begegnen. Daß die Unterrichtsverwaltung 
tatsächlich in keiner Weise einseitig vorgegangen ist, ergibt sich auch daraus 
am besten, daß ihre Maßnahmen heute von rechts und morgen von links 
bekämpft werden Es ist richtig, daß die Aufmerksamkeit der Unterrichts- 
verwaltung auf den Konsistorialrat Mahling durch das Separatvotum 
elenkt ist. Im Gegensatz zu dem Abg. Eickhoff muß ich aber hervorheben, 
Laß wir uns erst für Mahling entschieden haben, nachdem bestätigt war, 
daß Mahling es überall verstanden hat, sich einen bedeutsamen großen 
Wirkungskreis zu schaffen, dessen Mittelpunkt er war. Von allen Seiten 
ist anerkannt worden, daß er einen außerordentlich klaren Blick für die 
Schwierigkeiten des kirchlichen Lebens habe und jedem Parteiwesen abhold 
sei. Seine großen Verdienste auf dem Gebiete der innern Mission werden 
auf allen Seiten anerkannt. Erst vor wenigen Monaten ist ihm von der 
Universität Kiel der Dr. theologiae honoris causa verliehen worden, eine 
seltene Auszeichnung, die wohl Beachtung verdient. Mit Unrecht ist gesagt, 
Mahling leiste wissenschaftlich nichts. Er hat in einer angestrengten Arbeit 
Gewaltiges geleistet. Daß er dabei nicht so viel Bücher schreiben kann, 
wie ein junger Theologe, der sich als Privatdozent niederläßt, ist wohl 
selbstverständlich. Trotz dieser für ihn erschwerenden Umstände hat Mahling 
durch seine Schriften und Vorträge die Beachtung weiter theologischer Kreise 
gefunden. Seine wissenschaftliche Tätigkeit ist von uns vorher eingehend 
geprüft worden. Besonders seine Arbeit über die Geschichte der innern 
Mission und seine Werke über innere Mission in Hamburg sind außer- 
ordentlich wertvoll. Es sind glänzende Arbeiten. 
Dr. v. Jazdzewski (Pole): Wie steht es mit der Neubesetzung des 
Erzbistums Gnesen-Posen? Das ist schon seit Jahren verwaist, aber von 
einem Nachfolger des Herrn v. Stablewski hört man nichts. Dabei ist 
im religiösen Interesse die Beseyzuung des Bischofsstuhles dringend not- 
wendig. Die Ansiedlungstätigkeit bezweckt nicht nur die Germanisierung, 
sondern auch die Protestantisierung des Ostens. Da kann man es den 
polnischen katholischen Geistlichen doch gewiß nicht verübeln, wenn sie dem 
staatlichen Ansiedlungswerk nicht sehr sympathisch gegenüberstehen. 
Ministerialdirektor v. Chappuis: Die Verhandlungen zwischen der 
Regierung und der Kurie wegen der Neubesetzung des Posener Erzbistums 
schweben noch. Die Ansiedlung deutscher Katholiken im Osten wird dadurch 
erschwert, daß es dort an deutschen katholischen Geistlichen mangelt. Prote- 
stantisierungsabsichten haben wir im Osten keineswegs. 
27. April. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) 
Ministerialdirektor D. Schwartzkopff: Die Frage der Bestätigung 
von Sozialdemokraten in der Schuldeputation ist wiederholt, zuletzt bei der 
Wahl des Abg. Singer für die Berliner Schuldeputation, erörtert worden. 
Wir haben anerkannt, daß das Interesse der Sozialdemokraten für die 
Schule zu billigen ist, aber der Minister hat betont, daß die Schuldepu- 
tation Anteil an der staatlichen Schulaufsicht hat und daß Sozialdemo- 
kraten zur Teilnahme an der staatlichen Schulaufsicht nicht berufen werden 
können. (Hört, Hörtl) In diesem Sinne hat der Minister 1898 entschieden 
und daran ist bis heute festgehalten worden. Es handelt sich also bei der
	        
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