156 Deas Veutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 28. 29.)
über das Thema „die franzöfisch-deutsche Annäherung als Grund-
lage des Weltfriedens“.
28. April. (Reichsfinanzreform.) Der Reichskanzler hat
mit den Führern der konservativen Partei Freiherrn v. Manteuffel,
v. Normann und v. Heydebrand in seiner Dienstwohnung eine
Besprechung.
29. April. (Reichsfinanzreform.) Die freikonservative
„Post“ erklärt, daß die Reichspartei einer Wertzuwachssteuer für
Grundstücke grundsätzlich nicht ablehnend gegenüberstehe, aber nach
wie vor an der Erbanfallsteuer festhält und zwar um so mehr,
als sie in einer solchen Wertzuwachssteuer keinen ausreichenden
Ersatz für die Erbanfallsteuer im Rahmen der Reichsfinanzreform
zu erblicken vermag.
29. April. (Reichstag.) In der Finanzkommission be-
antragen die nationalliberalen Mitglieder Weber, Paasche, Sieg,
Fuhrmann:
An Stelle des konservativen Antrags Dietrich (Reichswertzuwachs-
steuer) folgenden Antrag anzunehmen: Die Regierungen zu ersuchen, eine
Vorlage auszuarbeiten, in der das bestehende Erbschaftssteuergesetz erweitert
und gleichzeitig die Deszendenten und Ehegatten in unbeerbter Ehe zur
Erbschaftssteuer mit möglichster Vermeidung lästigen Eindringens in die
Familienverhältnisse herangezogen werden, und soweit durch diese Vorlage
nicht ein Betrag von mindestens hundert Millionen Mark aufgebracht
wird, einen weitern Entwurf eines Gesetzes zur Besteuerung des Wert-
zuwachses von Immobilien im Reiche vorzulegen. Die Freisinnigen
iemer, Müller-Meiningen und Mommsen fordern: Ablehnung des kon-
servativen Antrags und statt dessen folgendes: 1. dem Reichstag ein Gesetz
vorzulegen betreffend die Besteuerung des Erbanfalls der Deszendenten
und Ehegatten, 2. ein Gesetz, durch das eine progressive Besteuerung des
Vermögens in zesntspesecente Verbindung mit der zur Kontrolle der
Veranlagung heranzuziehenden Erbschaftsbesteuerung durchgeführt wird.
In der Sitzung gibt Reichsschatzsekretär Dr. Sydow zwei Er-
klärungen ab.
I. Bei den Erklärungen, die ich abzugeben habe, werde ich nicht
erneut auf die Erbanfallsteuer eingehen. Diese ist zur Genüge erörtert.
Auch nicht auf die weitern Anträge, weil diese noch nicht begründet sind,
sondern nur auf den Antrag der konservativen Partei. Die Wertzuwachs-
steuer ist in letzter Zeit viel erörtert worden. Auch die Reichsregierung
hat sich damit beschäftigt, die etwaige Lücke zwischen der Erbanfallsteuer
und den aus der Besitzsteuer verlangten 100 Millionen zu füllen. Aber
die Prüfung hat sie immer wieder zu der Ueberzeugung gebracht, daß in
erster Linie die Gemeinden bei der Wertsteigerung in Frage kommen,
natürlich in zweiter Linie auch das Reich. Eine einheitliche Regelung
bietet außerordentliche Schwierigkeiten. Es bestehen wenig Erfahrungen
auf diesem Gebiete. Es erhebt sich zum Beispiel die Frage: Soll man
nur die freiwilligen oder auch die Zwangsverkäufe besteuern?" usw. Die
Arbeiten der Gemeinden bieten ja schätzenswerte Grundlagen. Ein Teil,