Das Denisqhe Reich und seine eintelnen Glieder. (April 29.) 157
etwa zehn Prozent des Zuwachses, müßte wegen der Geldentwertung, die
im Laufe der Zeit eingetreten ist, freigelassen werden. Soll man dem
Gesetz rückwirkende Kraft geben? Und wenn ja, wie weit? Sollen Auf-
wendungen bei den Grundstücken angerechnet werden und wieweit sollen
sie angerechnet werden? Wie groß soll der Anteil der Gemeinden sein?
Die Veranlagung muß ja zweifelsohne durch die Gemeinden geschehen.
Jedenfalls bin ich bereit, den Versuch zu machen, den Wertzuwachs auf
Immobilien heranzuziehen. Aber die Regierung hat erhebliche Bedenken.
Welchen Ertrag darf man erwarten? Die Begründung des Ertrags ist
nicht stichhaltig und jedenfalls sehr anfechtbar. Die Herabminderung der
Sätze pro Jahr des Besitzes vermindert den Ertrag. Da den Gemeinden
mindestens die Hälfte des Ertrages zukommen muß, so würde die Steuer
auf zwölf Prozent gesetzt werden müssen, um den gewünschten Ertrag zu
liefern. Die Erträge sind, wie die Beispiele von Frankfurt und Hamburg
zeigen, sehr schwankend. Selbst in den großen Städten kann man nicht
mit einer Mark pro Kopf der Bevölkerung rechnen. Wenn man im ganzen
Reiche 50 Pfennig pro Kopf rechnet, so kommt man der Wirklichkeit am
nächsten. Sollen davon noch die Gemeinden einen Teil abbekommen, so
müßten die Sätze erhöht werden. Als Ersatz für die Erbanfallsteuer ist
also die Steuer auf Immobilien nicht denkbar.
II. Er sei bereit, in die Bearbeitung der Wertzuwachssteuer ein-
zutreten. Für Wertpapiere habe die Wertzuwachssteuer die schwersten sach-
lichen Bedenken. Der Ertrag der Wertzuwachssteuer auf Immobilien
würde so gering sein, daß sie als Ersatz nicht anzusehen sei. Was ergeben
sich daraus für Konsequenzen? Einig ist die Regierung mit der Kommission,
daß 100 Millionen Mark Steuern auf den Besitz zu legen sind. Die Erb-
schaftssteuer ergibt nicht den vollen Betrag; die Lücke ist vielleicht durch
eine Steuer auf den Wertzuwachs für Immobilien auszufüllen. Die
Meinung der verbündeten Regierungen ist folgende: Die Ausdehnung der
Erbschaftssteuer auf Kinder und Ehegatten ist ein wesentlicher Bestandteil
der Finanzreform, ohne den diese weder zustande kommen wird noch kann.
Auch der Reichsbankpräsident Havenstein spricht sich zu den neuen
Anträgen der Konservativen aus: Mein Urteil geht dahin, daß die Reichs-
zuwachssteuer auf Effekten eine für den Verkehr unerträgliche Last, eine
undurchführbare Maßnahme, eine Schädigung allen Kredits bedeuten würde.
Nach allen theoretischen und praktischen Erfahrungen sucht jede Steuer-
politik die gesamte Steuerkraft zu erfassen. Wo man eines herausgreift,
wird ein Sondergrund hervorgeholt. Der Grund für die vorgeschlagene
Steuer ist der mühelose Gewinn durch die Tätigkeit der Gemeinde und
des Staates. Dieser Grund fehlt bei den Effekten durchaus. Hier ist es
die geschickte kaufmännische Leitung und Ausnußung der Konjunktur, die
den Wertzuwachs schafft. Wenn man jeden Effektengewinn als mühelosen
Gewinn bezeichnen will, so ist jeder kaufmännische Spekulationsgewinn
darunter zu fassen. All dieser Gewinn beruht auf geistiger Arbeit einzelner.
Hat nicht auch der Landwirt mühelosen Gewinn, wenn er beim Absatz
seines Getreides die günstige Konjunktur abwartet? Der Unterschied ist
kein qualitativer, sondern höchstens ein quantitativer. Es handelt sich auch
auf dem Effektenmarkt um volkswirtschaftlich notwendige Dinge. Einen
Wertzuwachsstempel nach den verschiedensten Richtungen bedeuten die
Börsensteuern. Nicht der Nennwert, sondern der effektive Wert wird ver-
steuert. Der Kursgewinn wird also getroffen. Die Mobilargewinne
werden nicht als Einkommen getroffen, wohl aber die Spekulationsgewinne.
Die Rechnung der Antragsteller ist auch, an sich betrachtet, nicht richtig.
Die Unterlagen Dr. Roesickes sind falsch. Bon einer Durchschnittssteigerung