Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

160 HNas Netsche Reich und seine einbeinen Slieder. (April 30.) 
des § 96 der Strafprozeßordn ung nicht verweigert werden. Berhaftung, 
vorläufige Festnahme sowie Vorführung sind ausgeschlossen. — Art. 11: 
Nach Beendigung der Voruntersuchung ist vom Vorstenden des Staats- 
gerichtshofes der Tag der Hauptverhandlung zu bestimmen, dem An- 
geklagten und den BVertretern der Anklage anzuzeigen und öffentlich bekannt 
zu machen. Die zur Hauptverhandlung erforderlichen Ladungen und die 
Herbeischaffung der Beweismittel bewirkt der Vorsitzende. — Art. 12: Der 
Angeklagte ist nicht verpflichtet, persönlich vor den Untersuchungsrichtern 
oder in der Hauptverhandlung zu erscheinen. In der Wahl seiner Ver- 
treter oder Verteidiger ist er nicht beschränkt. Der Umfang der Beweis- 
aufnahme wird vom Staatsgerichtshofe nach freiem Ermessen bestimmt. — 
Art. 13: Das Urteil kann nur auf Freisprechung oder dauernden Verlust 
des Amtes lauten. Im letztern Falle kann auf Entziehung der Pension 
erkannt werden. — Art. 14: Gegen ein vom Staatsgerichtshofe erlassenes 
Urteil findet ein Rechtsmittel nicht statt. — Art. 15: Im übrigen finden. 
auf das Verfahren vor dem Staatsgerichtshofe die Bestimmungen des 
Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozeßordnung entsprechende An- 
wendung. — Art. 16: Von der Einbringung des Antrages auf Erhebung 
der Anklage ab ist eine sonstige Beendigung des Amtes des Angeklagten 
auf den Fortgang des Verfahrens ohne Einfluß. Von der Mittcilung des 
Anklagebeschlusses an den Vorsitzenden des Staatsgerichtshofes ab hat eine 
Auflösung des Reichstags oder eine sonstige Beendigung der Legislatur- 
periode auf den Fortgang des Verfahrens, die Zusammensetzung des Staats- 
gerichtshofes und die Legitimation der Vertreier der Anklage keinen Ein- 
fluß. — Art. 17: Das Recht zur Erhebung der Anklage erlischt, wenn die 
Anklage in der auf das zur Anklage zu ziehende schuldhafte Verhalten 
folgenden Reichstagssession nicht erhoben worden ist. — Art. 18: Eine 
Begnadigung des Verurteilten kann nur mit Zustimmung des Reichstags 
erfolgen. — Art. 19: Im Falle der Verfolgung des Angeklagten wegen 
eines Verbrechens oder Vergehens auf Grund der allgemeinen Strafgesetze 
hat der Staatsgerichtshof zu entscheiden, ob er das Verfahren bis zur Er- 
ledigung des Strafverfahrens vor den ordentlichen Gerichten aussetzen will. 
30. April. (Zur Reichsfinanzreform.) 
Der weitere Ausschuß (50er Ausschuß) der konservativen Partei 
nimmt im Herrenhause mit großer Mehrheit folgenden Beschluß an: 1. der 
weitere Ausschuß der konservativen Partei steht hinsichtlich der Reichs- 
finanzreform auf dem Boden der Beschlüsse des Ausschusses vom 22. d. M.; 
2. er spricht der konservativen Fraktion des Reichstages, vor allem ihrem 
bewährten Führer Herrn v. Normann, für die korrekte und entschlossene 
Vertretung des konservativen Standpunktes in der Frage der Reichsfinanz- 
reform den Dank und die Anerkennung der Gesamtpartei aus. 
30. April. (Reichstag.) In der Finanzkommission kommt 
es zu einer allgemeinen Erörterung über den konservativen Antrag 
auf Einführung einer Wertzuwachssteuer für Grundstücke und Wert- 
papiere. Dabei moniert der Sozialdemokrat Südekum, daß zu 
der Konferenz mit dem Schatzsekretär Sydow am 27. April die 
Sozialdemokraten nicht hinzugezogen worden seien. Zu den ver- 
schiedenen Anträgen nimmt Schatzsekretär Sydow in folgendem 
Sinne Stellung: 
Den Antrag der Nationalliberalen: Erweiterung der Erbschaftssteuer 
 
	        
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