Das Beische Reich und seintr eintelnen Glieder. (Januar 2.) 3
lichen Armeen und Korps zu neuen Anstrengungen auffordern, die noch
nicht kämpfenden in ihren Marschrichtungen erhalten oder ihnen bei ver-
#nderter Lage neue anweisen. Der Feldzug schleppt sich hin. Solche Kriege
sind aber zu einer Zeit unmöglich, wo die Existenz der Nation auf einen
ununterbrochenen Fortgang des Handels und der Industrie begründet ist
und durch eine rasche Entscheidung das zum Stillstand gebrachte Räder-
werk wieder in Lauf gebracht werden muß. Daß das friedfertige Deutsch-
land unausgesetzt auf einen Beutezug in die lachenden Gefilde der Seine
oder Loire denke, galt allgemein als ausgemacht. War ihm der gerade
Weg versperrt, so konnte man doch annehmen, daß es das unangenehme
Hindernis durch die Schweiz oder durch Belgien zu umgehen suchen würde.
Einem solchen Anschlage auf dem rechten Flügel zuvorzukommen, hatte
Frankreich beizeiten alle Jurapässe durch Werke gesperrt. Links kam ihm
Belgien zu Hilfe. Mit Betonmassen und Panzertürmen hat es die große
Bölkerstraße längs der Maas und Sambre abgeschnitten, dahinter Ant-
werpen als uneinnehmbares Bollwerk errichtet. Die Niederlande suchten
nach Kräften die Bemühungen des Nachbars zu unterstützen, sich selbst wie
Frankreich vor deutschen Angriffen zu schützen. Damit war es nicht genug.
Italien hatte vor nicht zu langer Zeit einige Provinzen an Frankreich
verloren. Daß es einen Einfall Deutschlands nach Frankreich hinein zur
Wiedergewinnung des Verlorenen benützen würde, wurde angenommen.
Alle Wege und Stege, die über das trennende Hochgebirge führen, mußten
daher versperrt werden. Italien sah in den französischen Festungsbauten
nicht sowohl eine Abwehr wie eine Drohung und beeilte sich, jedem Fort,
jeder Batterie, jeder Schanze ein gleiches, dem ganzen Festungssystem auf
der Westseite der Alpen ein Festungssystem auf der Ostseite entgegenzusetzen.
Kaum waren zwei Dezennien seit dem deutsch-französischen Kriege rnegen.
als eine chinesische Mauer vom Zuidersee bis zum Mittelmeer sich errichtet
fand, die jeder Wiederholung jener unheilvollen Invasion vorbeugen sollte.
Noch war es denkbar, daß die Italiener sich diesseits der chinesischen Mauer
über die Alpen hinüber mit dem deutschen Verbündeten vereinigen und die
vereinigten Massen wie ein über seine Ufer ausgetretener Strom über
Festungen und Millionenheere hinweg in das beneidete Land strömen
würden. In dieser dringenden Gefahr säumte die Schweiz nicht, Hilfe zu
bringen. Die Lässe des Gotthard, die Zugänge durch das Rhone- und
Rheintal, alle Pfade zwischen unzugänglichen Gletschern und himmel-
anstrebenden Bergriesen wurden durch Befestigungen verbarrikadiert und
die im ewigen Schnee liegenden Forts mit Besatzungen belegt. Die ver-
meintlichen Eroberungsgelüste, denen auf einer Seite ein wirksamer Riegel
vorgeschoben war, mußten sich notwendigerweise nach einer anderen Luft
machen. Wurde Deutschland verhindert, nach Paris zu marschieren, so war
es augenscheinlich genötigt, den Weg nach Moskau einzuschlagen. Rußland
fühlte sich somit gezwungen, auch seinerseits gegen Deutschland Befestigungen
zu errichten. Ströme, Flüsse und Sümpfe erleichterten das Vorhaben. Die
deutschen Provinzen jenseits der Weichsel werden gleichsam von einem
breiten, morastigen Graben eingeschlossen, dessen wenige Uebergänge durch
Wälle und Geschütze verteidigt werden. Es war selbstverständlich, daß auch
gegen das mit Deutschland verbündete Oesterreich ähnliche Verteidigungs-
maßregeln ergriffen wurden. Ebenso wie durch eine westliche Linie waren
die Dreibundstaaten auch durch eine östliche Linie von dem übrigen Europa
geschieden. Im Norden hat Dänemark Kopenhagen zu einem großen
Waffenplatz umgeschaffen und die Zugänge zur Ostsee in die Hand ge-
nommen. England besitzt eine gewaltige schwimmende Festung, die es
jeden Augenblick in der Nordsee aufrichten kann und aus der es sich ein
14