180 HNes Veuische Reiqh und seine einelnen Glieder. (Mai 24.)
hohe Summe beträgt, ist doch die Schuldentilgung noch geringfügig
„Darum ist mit Recht in den Parlamenten, im Reichstag wie im Ab-
geordnetenhaus und Herrenhaus, der Ruf nach Sparsamkeit erschollen.
Aber wie ist diesem Ruf tatsächlich entsprochen? Im Reichstag hat man
sich bis jetzt sechs Monate vergeblich bemüht um die 500 Millionen lau-
fenden neuen Steuern, die nach allgemeiner Ueberzeugung unbedingt not-
wendig sind, wenn man endlich dem Schuldenwesen ein Ende machen will.
Dagegen hat die Reichstagskommission, die über die neuen Gehälter der
Beamten zu beschließen hatte, kein Bedenken gehabt, die Vorlage der ver-
bündeten Regierungen um 26 Millionen zu erhöhen. Im Abgeordneten-
hause sind wenigstens noch die nötigen Mittel für die Erhöhung der Ge-
hälter bewilligt, aber ich kann nicht unterlassen hervorzuheben, daß das
Abgeordnetenhaus bei den Gehältern für die Beamten um 18 Millionen
über die Regierungsvorlage hinausgegangen ist, daß es die Lehrergehälter
so erheblich über die Regierungsvorlage erhöht hat und daß unsere Ver-
suche, in dieser Beziehung wenigstens eine maßvolle Beschränkung eintreten
zu lassen, sie etwas niedriger zu bemessen und die Rückwirkung der Woh-
nungsgeldzuschüsse für das vorige Jahr auszuschließen, an dem einmütigen
Widerstand des Abgeordnetenhauses gescheitert sind. So müssen allein
23 Millionen für Wohnungsgeldzuschuß aus Anleihe aufgebracht werden.
Auch die Lage der Gemeinden wird ebenfalls sehr ungünstig beeinflußt.
Und doch müssen die Gemeinden, besonders die Stadtgemeinden, die Ge-
hälter ihrer Beamten denen der Staatsbeamten anpassen, sie müssen, soweit
sie den Staatszuschuß nicht erhalten, ihren Lehrern erhöhte Beträge aus
eigenen Mitteln gewähren, sie müssen die Lehrer der höheren Schulen wie
die der Staatsschulen besolden. Die Erweiterung des Kinderprivilegs,
so dankenswert sie ist, macht die Staatssteuern und Kommunalsteuern auch
noch weniger ergiebig. Ich erkenne voll an, daß die Regierung das ernste
Bestreben gehabt hat, ihre Vorlage den ungünstigen Verhältnissen ent-
sprechend maßvoll zu halten, aber sie hat damit bei dem anderen Hause
verhältnismäßig wenig Entgegenkommen gefunden. Die älteren Mitglieder
werden sich noch erinnern, als es noch Gewohnheitsrecht für den Land-
tag war, daß bei Geldforderungen der Regierung kein Haus über die
Höhe der Forderung hinausging (Sehr richtig!), daß man eigentlich nur
prüfte, ob diese Forderungen nicht zu hoch waren; sie zu übertrumpfen,
daran dachte kein Mensch. Wo sind diese Zeiten hin? Jetzt dauern die
Etatsberatungen noch einmal so lange als früher. Was wird verhandelt?
Fortgesetzt Anregungen an die Staatsregierung, die alle Geld kosten. In
diesem Etat ist es ebenso geschehen, obgleich wir allen Grund hätten, uns
möglichst in diesen schlechten Zeiten in den Ausgaben zu beschränken.
(Sehr richtig!) Das zwingt mich und jeden ruhig denkenden Mann, mit
großem Ernst in die Zukunft zu blicken. Ich persönlich bin fest überzeugt,
daß der Reichstag noch seiner nationalen Pflicht und den Wünschen aus
allen Kreisen des deutschen Volkes Rechnung trägt und die Reichsfinanz-
reform in Ordnung bringt. Davon bin ich fest überzeugt. Ich hoffe aber
auch, daß, wenn erst die Wähler die neuen indirekten und direkten Steuern
zahlen müssen, eine Reaktion in den Wählerkreisen eintritt gegen die Mit-
glieder des Abgeordnetenhauses und Reichstags und daß das der beste Weg
zu wirklicher Besserung ist. In jedem Fall möchte ich an dieses Haus die
Aufforderung richten, dem alten Grundsatz der früheren Zeit, über Forde-
rungen der Staatsregierung nur in dringlichen Fällen hinauszugehen, treu
u bleiben und jedenfalls, solange die Zeiten so schlecht sind wie jetzt, jede
ewilligung, die nicht notwendig ist, die nicht in den laufenden Einnahmen
Deckung findet, möglichst abzulehnen."“ (Lebhafter Beifall.)