182 Daes Derisqhhe Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 24. 25.)
das gebe ich zu, daß die Schuldentilgung noch eine unzureichende ist.
Darum hat die Finanzverwaltung immer darauf gedrängt, ein hohes
Extraordinarium für Eisenbahnverwaltung zu haben, also aus laufenden
Mitteln neue Herftellungen zu bewirken, die dem Staate wiederum dem-
nächst eine Rente zuführen. Dem kann ich auch zustimmen, daß hinsicht-
lich der Gehälter der Beamten Maß gehalten werden soll. Welche Lasten
aus dieser Aufbesserung der Bevölkerung erwachsen werden, das ahnt die
Bevölkerung gar nicht, weil sie den Steuerzettel noch nicht in die Hand
bekommen hat. Wenn erst die 25 Prozent Zuschläge auf einem hübschen
kleinen Zettel in die Hand der Zensiten gelangen werden und wenn die
500 Millionen Steuern dem Reiche bewilligt sein werden, dann wird
in den weiten Kreisen unserer Bevölkerung erst das Bewußtsein durch-
dringen, welche enormen Opfer unsere Bevölkerung für die Gehaltsaufbesse-
rungen zu bringen hat. Hinzu kommt noch, daß sich auch die Gemeinden
und die Privatbetriebe der Aufbesserung ihrer Beamten und Angestellten
nicht werden entziehen können, da doch ein gewisses Parallelverhältnis
zwischen diesen und den Staatsbeamten besteht. Ich freue mich ja, daß
wir mit der Gehalisordnung zu Ende gekommen sind. Hoffentlich geht
man auch im Reich nicht über die Grenzen hinaus, die in dieser Beziehung
gesteckt sind. Alles in allem: unsere finanzielle Situation ist durchaus als
eine ernste anzusehen. Ich glaube aber, daß wir uns von den Grund-
sätzen solider Finanzgebarung nicht entfernt haben. Wir werden bemüht
sein, diese auch fernerhin soweit zur Geltung zu bringen, als es irgendwie
in unserer Macht steht. (Beifall.)
Die Generaldebatte schließt.
24. Mai. (Zur Reichsfinanzreform.) Angesichts der
durch die neuerlichen Beschlüsse der Finanzkommission nicht nur
den deutschen Börsen, sondern auch den am Bäörsenhandel inter-
essierten weiten gewerblichen Kreisen drohenden schweren Gefahr
hat die Handelskammer zu Berlin sämtliche deutschen Handels-
kammern, unter deren Aufsicht Börsen stehen, zu einer Konferenz
auf den 2. Juni nach Berlin berufen.
25. Mai. (Zur Reichsfinanzreform.) Im Reichsschatz-
amt finden Verhandlungen statt, zu denen Vertreter der Finanz-
welt herangezogen werden, um die Möglichkeit einer weiteren steuer-
lichen Heranziehung der Börse zu erörtern. Das Aeltestenkollegium
der Berliner Kaufmannschaft erläßt gegen den Antrag Richthofen
folgende Kundgebung:
In der Finanzkommission des Reichstages ist nach dem Antrage
Richthofen--Damsdorf beschlossen worden, die zum Börsenhandel zugelassenen
Wertpapiere einer jährlicen Abgabe von 1 bis 3 v. T. des Wertes und
die zum Börsenterminhandel zugelassenen Aktien einer solchen von 3 bis
4 v. T. zu unterwerfen. Auch abgesehen von den Schwächen, die der
Antrag in seiner gegenwärtigen Gestalt zeigt und die ihn nahezu undurch-
führbar erscheinen lassen, muß eine solche Besteuerung nach der Ansicht
der Aeltesten der Kaufmannschaft von Berlin schon im Prinzip als eine
Maßregel bezeichnet werden, die die deutsche Volkswirtschaft aufs schwerste
zu schädigen geeignet ist. Sie steht im Gegensatz zu den Bedürfnissen