Das Deuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 25.—27.) 183
unserer industriellen Entwickelung, da sie die Beschaffung von Kapital er-
schwert und den gewerblichen Kredit verteuert, während alle Anstrengungen
darauf gerichtet sein müssen, ihn zu verbilligen und gerade die Antrag-
steller am meisten über hohe Zinssätze geklagt haben. Soweit das Aus-
land in Betracht kommt, verhindert die Maßregel, daß unsere Börsen
wieder internationale Märkte werden, drängt im Gegenteil die Geschäfte
ins Ausland. Allerdings werden sich die schlechten ausländischen Schuldner
von der Steuer nicht abhalten lassen und den deutschen Geldmarkt auf-
suchen; darin liegt aber nicht nur eine Gefahr für die deutschen Sparer,
sondern auch für die allgemeine Wohlfahrt, da in Zeiten wirtschaftlicher
und politischer Krisen die deutsche Nation nicht in der Lage sein würde,
sich durch Veräußerung guter ausländischer Werte die erforderlichen Geld-
mittel ins Land zu schaffen. Auch die inländischen Emittenten werden
vielfach, um der Steuer zu entgehen, die Zulassung nicht nachsuchen, so
daß die Zahl der unkontrollierten, für das Publikum gefährlichen Werte
stark vermehrt wird. Für die bereits zugelassenen Werte aber wird nicht
selten die Streichung der Notiz beantragt und den Besitzern Nachteil zu-
gefügt werden. In der geplanten Steuer erblicken die Aeltesten eine
Schädigung des deutschen Handels, ein Hindernis für die industrielle Ent-
wickelung und eine Gefahr für die nationale Wohlfahrt. Sie haben in
Aussicht genommen, in Gemeinschaft mit anderen Handelsvertretungen, die
an der Frage beteiligten Kreise zusammenzuberufen und durch einen Protest
die Allgemeinheit au die gefahrvollen und unübersehbaren Wirkungen der
neuesten Börsensteuer hinzuweisen.
B. Mai. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Die Berg-
gesetzuovelle wird gegen Polen und Sozialdemokraten angenommen.
25. Mai. Gegen eine Reichswertzuwachssteuer erklären
sich der Vorstand des deutschen Städtetages und sämtliche Ober-
bürgermeister des Großherzogtums Baden.
26. Mai. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Die Stem-
pelgesetze werden in dritter Lesung angenommen.
26. Mai. (Preußisches Herrenhaus.) Der Etat im
ganzen und damit das Etatsgesetz wird angenommen.
26. Mai. (Reichstag.) Die Finanzkommission nimmt die
Tabaksteuer in Höhe von 57 Mark für den Doppelzentner Tabak-
blätter und mit einer Wertzuschlagsteuer von 40 Prozent an.
Als Ersatzsteuern beantragen die Konservativen eine Er-
höhung des Kaffee= und des Teezolles.
27. Mai. (Potsdam.) Der Kaiser gibt zu Ehren der
japanischen Prinzen Naschimoto und Kuni und ihrer Gemahlinnen
nach der Parade bei Potsdam ein Frühstück im Stadtschloß.
Prinz Naschimoto erhält den Schwarzen Adlerorden, den Prinz
Kuni schon vorher erhalten hatte.
27. Mai. (Reichstag.) Die Finanzkommission beschließt
in der zweiten Lesung des Branntweinsteuergesetzes gemäß einem