Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

234 HJaes Neutsche Reich uad seine einteluen Glieder. (Juni 22.) 
unserseits besiegeln, indem wir rufen: Seine Majestät Wilhelm II., unser 
Kaiser, lebe hoch!“ 
Darauf antwortet der Kaiser: „Meine verehrte Magnifizenz! 
Ich bitte Meinen herzlichsten und gerührtesten Dank entgegennehmen zu 
wollen für die freundliche Begrüßung im Kreise Mir gleichgesinnter und 
wohlbekannter Männer. Es war in der Tat für Mich ein schwerer Ge- 
wissenskampf, als Ich zwischen Meine Pflicht und Mein Bergnügen auf 
der Elbe und in Hamburg gestellt wurde, eventuell die Freude, der Gast 
der Hamburger sein zu dürfen, aufgeben zu müssen. Aber es verstand sich 
von selber, daß der Wohlfahrkt des Reichs gegenüber persönliche Wünsche 
u schweigen hatten, und schweren Herzens entschloß Ich Mich daher, die 
Rochricht nach Hamburg gelangen zu lassen, daß es Mir wohl nicht möglich 
sein würde, Ihr Gast zu sein und an den sportlichen Unternehmungen 
teilnehmen zu können. Glücklicherweise haben sich die Verhältnisse günstig 
estaltet, das Mir vom Vulkan gelieferte Schiff, das Sie alle kennen, Meine 
Focht „Hohenzollern“", hat ihren allbewährten und guten Ruhm von neuem 
wieder wettgemacht, Wir haben uns beeilt und sind durch die Ostsee ge- 
flogen, und was sie nicht beenden konnte, das besorgte die Eisenbahn. Und 
so war es Mir dann möglich, zu diesen schönen Veranstaltungen des Ham- 
burger Renntags rechtzeitig eintreffen zu können und so wieder in den 
Kreis der Mir so befreundeten und so sympathischen Männer und Frauen 
zu treten und zu gleicher Zeit auch den Wünschen Seiner Majestät des 
Zaren entgegenkommen zu können. Der heutige Tag verpflichtet Mich zu 
innigem Danke der Stadt Hamburg für ihren warmen und herzlichen Em- 
pfang, der sich von Jahr zu Jahr steigert, wenn das möglich wäre, für 
die Gastfreiheit im Heim Eurer Magnifizenz und nicht zuletzt für das 
schöne Fahrzeug, das Mir eines Hamburger Meisters Hand geliefert hat. 
Es ist damit endlich der Beweis geliefert, nach dem Ich schon seit Jahren 
strebe: Daß auch in dem Jachtbau wir auf eigenen Füßen stehen, wie im 
Kriegsschiffbau und wie im Dampferbau. Von deutschen Händen gefügt, 
aus deutschem Material geboren, und von deutschen Männern von der 
Waterkant besetzt, ist es ein würdiges Fahrzeug, das, wie Ich hoffe, auch 
noch in diesem Jahre im Auslande sich gut zeigen und gut abschneiden 
wird. Wir treiben hier Sport und keine Politik; Euer Magnifizenz haben 
aber die Güte gehabt, die Punkte zu berühren, die aller Deutschen Herzen 
jetzt bewegen. Ich hoffe immer noch, daß der Gemeinsinn in unsern 
Volksvertretern sich über den Parteisinn Bahn brechen wird, da Ich doch 
annehme, daß niemand unter ihnen die Verantwortlichkeit auf seine Schul- 
tern nehmen wird, das Scheitern einer für unser Vaterland nach innen 
wie nach außen unumgänglich notwendigen Reform zu verantworten. 
(Bravo.) Sie haben alle mit Interesse Meine Reise nach den finnischen 
Schären verfolgt, wo Ich so warme und gastliche Aufnahme seitens Seiner 
Majestät des Kaisers aller Reußen und der Seinen gefunden. Es freut 
Mich, in der Lage zu sein, gerade Ihnen als Vertretern des Handels und 
der Geschäftswelt, die Sie ein Interesse an der friedlichen Gestaltung der 
Zukunft haben, das folgende über die Bedeutung des Besuchs mitteilen zu 
können: Seine Majestät der Kaiser und Ich sind dahin übereingekommen, 
daß unsere Zusammenkunft als eine energische Bekräftigung des Friedens 
aufzufassen ist. (Lebhaftes Bravo.) Wir fühlen Uns als Monarchen unserm 
Gott verantwortlich für das Wohl und Wehe Unserer Völker, die Wir soweit 
als möglich auf friedlichem Wege vorwärts bringen und zur Blüte empor- 
führen wollen. Alle Völker brauchen den Frieden, um unter seinem Schutze 
den großen Kulturaufgaben ihrer wirtschaftlichen und kommerziellen Ent- 
wickelung ungestört obliegen zu konnen. Daher werden Wir beide stets
	        
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