238 JNaos VFenische Reich und seine eintelnes Glieder. (Juni 24.)
Stellung der freisinnigen Fraktionsgemeinschaft zu den Anträgen bezühglich
der Staffelung.
Die Abstimmung. Der Präsident teilt mit, daß er zunächst über
die Unteranträge abstimmen lassen würde und dann über den §8 ga. Diese
Abstimmung soll namentlich sein nach Anträgen von Bassermann (nul.) und
Singer (Soz.). Nach Ablehnung der Staffelsätze der sozialdemokratischen
Partei sowie der wirtschaftlichen Vereinigung stellt Vizepräsident Dr. Paasche
die Staffelsätze der Regierung zur Abstimmung, die noch nicht namentlich
ist. Es erhebt sich die gesamte Linke, die Reichspartei mit wenigen Aus-
nahmen, die Wirtschaftliche Vereinigung und die Reformpartei. Das
Bureau erklärt, daß das die Mehrheit sei. Jetzt wird der § 9a im ganzen
zur Abstimmung gestellt. Die Abstimmung ist namentlich. Es haben 4ch
an der Abstimmung beteiligt 383 Abgeordnete. Davon haben mit ja ge-
stimmt 187, mit nein 195 Abgeordneten, enthalten 1. § 9a: Die Deszen-
denten= und Ehegattensteuer ist abgelehnt.
Das Haus nimmt die Verkündigung des Ergebnisses schweigend
entgegen. Der Reichskanzler hatte schon bei der Rede des Abg. Frhr.
v. Hertling den Saal verlassen.
In rascher Folge werden dann die weitern Paragraphen der Vor-
lage zur Abstimmung gestellt. Bei § 10, der die Steuersätze für die andern
Verwandtschaftsgrade enthält, bleibt das Bureau zweifelhaft. Die Aus-
zählung im Hammelsprung ergibt Ablehnung mit 190 gegen 166 Stimmen.
Es sind demnach 27 Abgeordnete beim Hammelsprung nicht wieder in den
Saal getreten.
Der § 47a enthält die Bestimmung, daß bei landwirtschaftlichen
Grundsteuern Deszendenten- und Ehegattensteuer in Gestalt einer Tilgungs-
rente entrichtet werden kann. Nationalliberale, Freisinnige und Sozial-
demokraten haben Anträge gestellt, wonach diese Vergünstigung auch für
gewerklich benutzte Grundstücke gelten soll. Singer (Soz.) erklärt, daß
die Annahme dieser Anträge für seine Parteifreunde eine Vorbedingung
für die Zustimmung zur Erbschaftssteuervorlage sei. Auch diese Anträge
werden abgelehnt, desgleichen ein Antrag der Freisinnigen auf Verkürzung
der Tilgungsfrist von 20 auf 5 Jahre.
Die Bestimmungen der Regierungsvorlage über die Erbschaftssteuer
werden mit sämtlichen dazu gestellten Anträgen abgelehnt.
Von den Sozialdemokraten liegt ein Antrag vor, den § 13 des
geltenden Erbschaftssteuergesetzes zu streichen, der die Steuerfreiheit des
Landesfürsten und der Landesfürstin enthält.
Singer (Soz.): Es wäre eine nobile ofticium der Fürsten, auch
ihrerseits dazu beizutragen, das Finanzelend des Reiches zu beseitigen.
Für den Antrag auf Streichung der fürstlichen Steuerfreiheit er-
heben sich mit den Sozialdemokraten die bürgerliche Linke sowie die Wirt-
schaftliche Vereinigung und Reformer. Der Antrag ist also abgelehnt.
Die Sozialdemokraten rufen stürmisch den Polen zu: Und die Polen? Die
Polen winken laut rufend ab. Von den süddeutschen Zentrumsbänken
wird den Polen lauter Beifall gerufen.
Auch Einleitung und Ueberschrift der Vorlage werden abgelehnt.
(Große Bewegung.) Vizepräsident Dr. Paasche teilt mit, daß damit vom
Gesetzentwurfe nichts mehr übrig ist, und er also nicht zur dritten Lesung
kommen kann.
Die Abstimmung der Parteien. Für die Erbanfallsteuer
stimmten geschlossen die Nationalliberalen, Freisinnigen und So-
zialdemokraten, gegen sie geschlossen Zentrum und Polen. Die
Konservativen stimmten überwiegend mit nein; für die Steuer traten