Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Das Dentsqe Reiq und seine einzelnen Glieder. (Juni 29. 30.) 245 
29. Juni. Bewegung in der konservativen Partei. 
Der Vorstand des Konservativen Vereins von Groß,Lichterfelde, 
für den zeichnen v. Löbell, Generalmajor z. D., F. Nonnemann, Schrift- 
steller, v. Jablonowski, Oberst z. D., Kramer, Dr. phil., Weithmann, Geh. 
Rechnungsrat, Grünwald, Bureauvorsteher, hat nach der „Norddeutschen 
Allgemeinen Zeitung“ an die Mitglieder folgende Kundgebung gerichtet: 
„Der Vorstand verurteilt aufs allerschärfste das Verhalten der konservativen 
Partei im Reichstage und die von ihr verfolgte Richtung. Er sagt sich 
daher von der jetzigen Parteileitung los. Wir halten es mit wahrhaft 
konservativen Grundsätzen für unvereinbar, daß sich die konservativen 
Reichstagsabgeordneten in einer Lebensfrage des Reichs, wie die Finanz- 
reform es ist, gegen die Regierung mit den deutschfeindlichen Polen und 
dem Zentrum verbunden haben. Wir können nicht Bestrebungen unter- 
stützen, die nur dem Zentrum zur Vorherrschaft verhelfen und zum Sturze 
des Fürsten Bülow beitragen, wodurch dem Kaiser ein treubewährter, dem 
Reiche ein unersetzlicher Kanzler geraubt wird. Ueberzeugt, daß Stadt 
und Land sich in nationaler Opferwilligkeit zusammenfinden werden, be- 
dauern wir aufs höchste, daß der Bund der Landwirte in kurzsichtiger und 
einseitiger Weise sein Interesse über das des Reichs gesetzt und die Massen 
in demagogischer Weise bearbeitet hat. Geradezu als ein Verhängnis 
müssen wir es aber betrachten, daß die konservativen Reichstagsabgeord- 
neten diesem Einfluß unterlegen sind. Wenn die konservative Partei nicht 
bald verstehen sollte, sich diesen unheilvollen Einflüssen zu entziehen, dann 
werden viele bis dahin treukonservative Männer nicht mehr in der Lage 
sein, der Partei Gefolgschaft zu leisten. Dann wird auch der Vorstand 
unseres Vereins einer Lapiwersammlung die Frage vorlegen, wie sich die 
weitere Stellung zur Partei zu gestalten hat. Deshalb bitten wir unsere 
Mitglieder, mit denen wir uns nach der Vertrauenskundgebung für unseren 
Vorstgenden in dieser Frage eins wissen, ihren in berechtigtem Unmut ge- 
faßten Entschluß, aus dem Verein auszutreten, vorläufig nicht auszuführen.“ 
30. Juni. (Reichstag.) Die von dem Abg. Molkenbuhr 
begründete Interpellation, ob die verbündeten Regierungen an- 
gesichts des durch die Teuerung der Lebensmittei verursachten Not- 
standes weiter Volkskreise eine Gesetzesvorlage über eine zeitweilige 
Aufhebung der Getreidezölle vorzulegen beabsichtigen, wird vom 
Staatssekretär v. Bethmann Hollweg in negativem Sinne be- 
antwortet. 
3%. Juni. (Berlin.) Begründung eines Deutschen Bauern- 
bundes. 
Er soll namentlich solche Bertreter des Bauernstandes umfassen, die 
mit der Art und Weise, wie der Bund der Landwirte die Interessen der 
Landwirtschaft zu fördern sucht, nicht einverstanden sind. Ins Präsidium 
wurden gewählt: Der Reichstagsabgeordnete Wachhorst de Wente (Erster 
Vorsitzender); ferner der Landtagsabgeordnete Wamhoff, der Reichstags- 
abgeordnete Löscher und der Landwirt Harte (Posen). 
Ende Juni. Die „Frankfurter Zeitung“ stellt nach der Wahl- 
statistik von 1907 die Zahlen der Wähler derjenigen Parteien 
zusammen, die am 24. Juni für und gegen die Erbanfall- 
steuer gestimmt haben: 
 
	        
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