Das Beeche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 10.) 259
schließlich am letzten Ende zur Expropriation des Besitzes führt.
(Zuruf von den Sozialdemokraten: Sie sind die Expropriateurel) Wir
haben das Vertrauen zu denjenigen, die vielleicht jetzt selbst in unseren
eigenen Reihen darüber zweifelhaft sind, ob wir nicht doch einer solchen
Steuer hätten zustimmen sollen. Wir haben das Vertrauen, daß sie später
einsehen werden, daß es jetzt recht war, daß die konservative Fraktion es ab-
lehnte, ihren Namen unter ein solches Gesetz zu setzen, das eine solche Folge
haben könnte und unserer Meinung nach schließlich auch haben müßte.
Ich sprach vorhin von Opfern; ich meinte das mit Bezug auf die materielle
Seite der Sache. Aber wir haben auch Opfer gebracht in unserer ganzen
staatsrechtlichen Auffassung, wenn wir diesem Werke zugestimmt haben und
zwar, wie das hier doch mit allem Nachdruck betont werden muß, indem wir
den sogenannten Besitzsteuern auch zugestimmt haben. (Gelächter links.)
— Sind Sie jetzt fertig? Dann will ich fortfahren. Wenn es in der Welt
nichts gäbe als ein Deutsches Reich und seine Besteuerung, dann würde der
Satz, daß man neben Konsumsteuern auch eine Besteuerung des Besitzes be-
sonders vornehmen muß, vollkommen gerechtfertigt sein. Aber wir haben doch
nicht bloß das Deutsche Reich, sondern wir haben auch die Einzelstaaten, die
Kommunen, und ich frage Sie: welche Steuerquellen stehen denn diesen
Körperschaften zur Seite? (Zuruf links: Wertzuwachssteuer.) Wir haben
keine anderen Steuern, als solche, die im letzten Grunde auf die Besitzenden
gelegt werden müssen. Und niemand hat, was Preußen angeht, klarer und
zahlenmäßiger und unwiderleglicher, als der preußische Herr Finanzminister
dargelegt, daß es kaum 10 vom Hundert der Besitzenden in Preußen sind
— ich glaube, es ist eine noch kleinere Zahl —, die die ganzen öffentlichen
Lasten dieses Staates aufzubringen haben, die zum großen Teil in ihrem
Zweck und Grunde auch den Nichtbesitzenden zugute kommen. Wer will
das leugnen? Solange der Satz nicht gilt und nicht gelten kann — nach
unserem Staatsrecht —, daß unsere Einzelstaaten und Kommunen be-
rechtigt seien, neben den direkten Steuern auch Konsumsteuern zu erheben,
solange wird es ungerechtfertigt und eine staatsrechtliche Unmöglichkeit sein,
im Reiche den Grundsatz aufzustellen, daß, solange und so oft Konsumsteuern
bewilligt werden, auch sogenannte Besitzsteuern — welcher Begriff vollkommen
unklar ist — bewilligt werden müssen. Und einer solchen Besitzbesteuerung
haben wir, um das große Werk zustande zu bringen, mit schwerem Herzen
zugestimmt, nachdem wir erkannt hatten, daß der Weg der Heranziehung
der Matrikularbeiträge, auf dem das Ziel auch zu erreichen gewesen wäre,
unmöglich war im Interesse der Einzelstaaten; nachdem wir zu einer
solchen Erkenntnis gekommen waren, mußten wir diesen Schritt tun, weil
es sonst ganz unmöglich gewesen wäre, etwas Brauchbares und etwas
Ganzes zustande zu bringen. Daß dieses ganze Werk in seinen ein-
zelnen Teilen, und wenn Sie wollen, auch im Ganzen im höchsten
Grade anfechtbar bleibt — ja, glauben Sie denn, daß wir so ver-
blendet sind, das nicht einzusehen? Machen Sie uns das mal vor, 500
Millionen aufzubringen, ohne daß eine enorme Zahl von Steuern und
Einzelheitey darin sind von denen man sagen muß, daß sie tatsächlich hier
und da berechtigten Angriffen ausgesetzt sind! So lange wir ein Deutsches
Reich mit derartigen wirtschaftlich verschiedenen Verhältnissen, mit derartig
verschiedenen Parteiverhältnissen haben, wird es ganz unmöglich sein, ein so
großes Werk in einer ganz vollendeten Weise zustande zu bringen. Des-
wegen ist der Vorwurf, den Sie gegen uns richten, daß wir hier und da
im einzelnen gefehlt haben, ein Vorwurf, den ich nur als ungerecht be-
zeichnen kann. Und — m. H. dort drüben, seien Sie ruhig! — wenn Sie
dazu gekommen wären, positive Beschlüsse zu fassen, wenn Sie an die
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