D#e Nesche Reich und seine eintelnen Glieder. (Juli 10.) 261
Recht in Anspruch, weder für die unserige noch für die Ihrige —,
aber die eine Weltanschauung trennt in mancher Beziehung, und die im
letzten Grund auch wirtschaftliche Gegensätze haben, die nicht über-
wunden werden können, solange diese wircschaftliihen Gegensätze in unserem
deutschen Volke überhaupt vorhanden sind — und wenn man dem wahr
und gerecht bis zum Schluß folgen will, dann, m. H., müssen Situationen
eintreten, mußten Situationen eintreten, in denen eine dauernde Ver-
ständigung nicht möglich war. Und was ergab sich dann? Daß die Partei,
die da ausgeschaltet werden mußte, ein Wort zu sprechen hatte in Situ-
ationen, über deren Natur dann sehr schwer zu urteilen gewesen wäre.
Es wäre möglich gewesen, in diesem Block liberale und konservative Rich-
tung zusammen zu halten und ich erkenne ganz offen an, daß auch meine
politischen Freunde durchaus nicht der Meinung sind, daß dieses Zusammen-
gehen mit Ihnen für unsere Sache in jeder Hepeung nachteilig gewesen
wäre. Nein, m. H., wir sind objektiv genug, anzuerkennen, daß nicht bloß
die Sachen, sondern auch die Personen manche Förderung durch ein solches
Zusammengehen erfahren haben. Aber eine Boraussetzung war dabei:
es war die, daß ein solches Verhältnis aufgebaut war auf der Grund-
lage der Gleichberechtigung, und diese Gleichberechtigung, m. H.,
haben Sie uns versagt! Erinnern Sie sich doch daran, wie noch vor
wenigen Tagen der Führer der Freisinnigen Bolkspartei, Dr. Wiemer,
es hier ganz offen ausgesprochen hat, daß es Ihr Ziel war, nicht bloß
das eine oder das andere zu erreichen, sondern daß Sie den ganzen Geist
der Berwaltung und der Gesetzgebung mit liberalem Geiste erfüllen
wollten, zu einem liberalen Bestande machen wollten. Sie haben es ja
selbst mit der größten Deutlichkeit, die es gibt, ausgesprochen — warum
wollen Sie mir das übelnehmen, wenn ich mich Ihrer eigenen Worte,
Ihrer eigenen Auffassungen bediene? Ja, hat denn Herr Wiemer nicht
namens Ihrer Partei gesprochen? (Zurufe: Jawohl, gewißl!) Ja, m. H.,
reden Sie uns doch nichts vor, Sie machen es uns doch nicht glauben!
(Rufe: Wir geben es ja zul) Wir wissen ja ganz genau, m. H., daß
es wirklich so war, daß das Ihre Absicht war — und zwar nicht bloß
im Reich, sondern auch in Preußen. (Sehr richtig! rechts.) Das
wollen wir mal ganz offen und ruhig hier aussprechen. Nun, m. H., es
hat ja eine konservative Aera gegeben, die von konservativen Kräften ge-
stützt war. Sie haben auch eine liberale Aera gehabt, die von liberalen
Leuten gestützt war — aber eine liberale Aera, die von konser-
vativen Kräften gestützt war, hat die Welt noch nicht gesehen. Und
daß wir uns in dieser Situation Ihnen nicht zu Willen gezeigt haben,
m. H., das war unser Recht, von dem wir uns nichts nehmen lassen und
das auch die Leute verstehen werden, die hinter uns stehen. So war es,
und darum glauben wir, indem wir den Blockgedanken auf das richtige
Maß zurückgeführt haben (Hört, hört! und Gelächter links), indem wir die
Sicherung unserer nationalen Interessen, die in keiner Weise gefährdet
bleiben, erhalten, und indem wir jede einseitige BVorherrschaft einer einzelnen
Partei ausschalten (Lachen links) — glauben wir, daß wir uns ein politisches
Berdienst um das Baterland erworben haben. Nun, m. H., den Block
würde man uns, vielleicht nicht die Liberalen, aber im Lande, noch hin-
gehen lassen. Aber daß auch unser verdienter Reichskanzler — m. H.,
wir halten ihn für verdient —, daß auch er aus diesem Anlaß seinen
Rücktritt in Erwägung zieht, das ist eine schwere Verantwortung, eine
schwere Verantwortung, die auf uns ruht. Auch dazu habe ich im Auf-
trage meiner politischen Freunde ein ganz offenes und ungeschminktes
Wort zu sagen. Meine politischen Freunde bedauern es alle aufrichtig,