Das Dentsqhe Reit und seine einjelnen Slieder. (Juli 10.) 275
gesprochen, die die konservative Partei gebracht habe. Du lieber Gott,
wenn das Zentrum sie nicht gefordert hätte, die Herren hätten sie nicht
gebracht. (Sehr richtig! links.) Es war eben nicht anders zu wollen.
Wenn sich die Konservativen auch darin dem Zentrum gefügt haben, so
ist das ein neuer Beweis dafür, daß sie in der Finanzreform nicht die
Führer sind, sondern die Geführten. Wir lehnen die Verantwortung für
den Ausgang dieses Kampfes um die Finanzreform ab. Wir haben nicht
versagt, dafür berufe ich mich auf die Akten der Finanzkommission. Herr
v. Hertling hat gemeint, daß das Zentrum keinen Anlaß habe, die Ge-
schäfte des Großgrundbesitzes zu fördern. Ich sollte auch meinen, daß das
nicht der Fall ist, und daß die jetzt vom Zentrum eingenommene Haltung
auch bei seinen Wählern Widerspruch findet. Um die Interessen des
Agrariertums zu fördern, mußte das Interesse des Mittelstandes und der
Arbeiter in den Hintergrund gestellt werden. Nun glaube ich ja, daß die
Zentrumspartei bis zu einem gewissen Grade ihrer Wähler sicher ist. Sie
werden eben eine andere Broschüre schreiben als vor zwei Jahren. Herr
Erzberger und Ihre Wähler werden sich schon beruhigen. Ob die Konser-
vativen den Sturz des Reichskanzlers haben herbeiführen wollen, will ich
nicht untersuchen; aber sie haben dazu durch ihr Zusammengehen mit dem
Zentrum beigetragen. Auch der Wille der Konservativen, zur Macht zu
gelangen, war wohl ausschlaggebend für ihre Stellungnahme. Aus den
Ausführungen des Herrn v. Heydebrand über die Blockpolitik ließ sich
entnehmen, daß er und seine engeren Freunde von jeher der Blockpolitik
mißtrauisch und kühl bis ans Herz hinan gegenüberstanden. Wir haben
niemals ein Hehl daraus gemacht, daß wir die Blockpolitik unterstützen in
der Voraussetzung, daß dadurch Fortschritte in der Richtung unserer libe-
ralen Anschauungen erzielt würden; wir sind aber niemals so töricht ge-
wesen, zu verlangen, daß nun im Deutschen Reichstage lediglich liberale
Gesetze gemacht werden. Wir haben nur verlangt, daß eine einseitige,
reaktionäre Politik verhindert und daß auf bestimmten Gebieten Fort-
schritte erzielt werden, die in der Richtung liberaler Anschauungen liegen.
Von einer liberalen Aera waren wir noch weit entfernt. Die Ausführungen
in dieser Richtung klangen fast wie ein Hohn gegenüber unserer Forderung,
daß wir wenigstens Gleichberechtigung erhalten mögen. Herr v. Heyde-
brand war so gnädig, zuzugestehen, daß auch Liberale sich in der Ver-
waltung betätigen dürfen, aber er fügte gleich hinzu, „wenn sie so sind,
daß sie den Ansprüchen genügen", d. h. wenn sie in ihrem öffentlichen
Auftreten von ihrer politischen Ueberzeugung keinen Gebrauch machen.
Das haben wir ja auch beim Fall Schücking gesehen. Da war es gerade
derselbe- Herr v. Heydebrand, der offen für die Regierungspraxis ein-
getreten ist, die nicht einmal dulden wollte, daß ein Mann der Selbst-
verwaltung von seinen politischen Anschauungen in der Oeffentlichkeit
Gebrauch macht. Wenn Herr Singer gemeint hat, unsere Mitwirkung an
der Blockpolitik sei beschämend für uns, so kann ich erklären: Wir Liberale
haben keinen Anlaß, irgendwie mit Bedauern auf diese Erfahrungen in
der Blockzeit zurückzublicken. Das, was mit unserer Mitwirkung geschaffen
ist, kann die Kritik bestehen. Ich bin überzeugt, daß bei dem Streben
der Konservativen, die Blockpolitik zu beseitigen, vor allem die Wahlrechts-
frage in Preußen maßgebend war und daran können mich auch die Aus-
führungen des Herrn v. Heydebrand nicht irremachen. Er sprach mit einer
leichten Handbewegung davon, daß die Konservativen gar. nicht abgeneigt
seien, eine Reform des Wahlrechts vorzunehmen. Die Verhandlungen im
preußischen Abgeordnetenhause haben aber bewiesen, daß sie mit allen
Mitteln gegen die Anforderungen einer politischen Weiterentwickelung an-
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