Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Das Pentsqe Reiqh und seine einjelnen Glieder. (Juli 15. - 18.) 293 
schleunigt worden, weil der Infant Mobilmachungsordre erhalten hatte 
und zur Fahne einberufen war. Die „Gazeta de Madrid" veröffentlicht 
einen Erlaß, wodurch dem Infanten Alfons der Titel genommen wird, 
weil seine Heirat ohne Einwilligung des Königs erfolgt ist. 
15. Juli. Der Prinzregent von Bayern, der König von 
Sachsen, die Großherzoge von Baden, von Oldenburg, von Mecklen- 
burg-Strelitz und von Hessen drücken dem Fürsten Bülow Dank 
für sein Wirken und Bedauern über sein Scheiden aus. 
Das Handschreiben des Prinzregenten Luitpold hat folgenden Wort- 
laut: „Die Nachricht von der Ihnen auf Ihre dringende Bitte gewährten 
Enthebung von dem Amte des Reichskanzlers erfüllt mich mit aufrichtigem 
Bedauern. Ich weiß wohl die ausgezeichneten Dienste zu schätzen, die Sie 
Kaiser und Reich während vieler Jahre in aller Hingebung geleistet haben. 
Mit der Achtung vor den Rechten der Bundesglieder haben Sie stets volles 
Verständnis für die Interessen und Anliegen der Einzelstaaten, insbesondere 
auch Bayerns, verbunden. Es liegt mir daran, den Huldbeweisen des 
deutschen Kaisers aus Anlaß Ihres Rücktritts auch meinen warmen Dank 
für Ihr patriotisches Wirken anzuschließen."“ 
17. Juli. (Württemberg.) Voklksschulgesetz. 
Die Erste Kammer nahm bei der Beratung des Volksschulgesetzes 
mit 27 gegen 11 Stimmen den Artikel an, in dem unter Durchbrechung 
des sonst geltenden Prinzips der konfessionellen Volksschule simultane Mittel- 
schulen, also gehobene Volksschulen, und simultane Hilfsschulen für Minder- 
begabte für zulässig erklärt werden. Die Zweite Kammer nahm einen 
Antrag an, die Regierung zu ersuchen, im Bundesrate für die Schaffung 
eines gesetzlichen Hausarbeiterschutzes und für Ausdehnung der Gewerbe- 
inspektion auf denselben einzutreten. 
18. Juli. Fürst Bülow und die Nationalliberalen. 
Im Namen der nationalliberalen Partei und der nationalliberalen 
Reichstagsfraktion hat der Abg. Bassermann dem Fürsten Bülow folgen- 
des Telegramm gesandt: „Die nationalliberale Partei dankt dem scheiden- 
den Kanzler für seine langjährige segensreiche Tätigkeit im Dienste des 
Baterlandes. Unvergessen wird der Staatsmann bleiben, der Deutschland 
die ihm gebührende Stellung im Rate der Bölker zurückgab und durch die 
Paarung liberaler und konservativer Weltanschauung die unerträgliche 
Zentrumsvorherrschaft brach. Die nationalliberale Reichstagsfraktion, der 
es vergönnt war, in jahrelanger gemeinsamer Arbeit die Politik Eurer 
Durchlaucht zu unterstützen, beklagt aus aufrichtigem, patriotischem Herzen 
das Scheiden Eurer Durchlaucht aus dem Amt des Reichskanzlers. Immer 
das Wohl des Ganzen im Auge, des Vaterlandes Größe und Glück er- 
strebend und fördernd, war Ihre Tätigkeit von reichem Erfolg gekrönt. 
Für dies getreue Wirken für unser Volk danken wir Ihnen; wir danken 
auch und werden nie vergessen, daß Eure Durchlaucht es ablehnten, mit 
einer neuen konservativ-klerikalen Mehrheit gegen den Liberalismus die 
Geschäfte weiterzuführen. Ihr Name und Ihre Tätigkeit wird der national- 
liberalen Reichstagsfraktion unvergessen sein.“ 
Der Fürst erwidert: „Eurer Hochwohlgeboren danke ich aufrichtig 
für die freundlichen Worte, die Sie namens der nationalliberalen Partei 
und Reichstagsfraktion an mich gerichtet haben. Ohne die treue und ver- 
ständnisvolle Unterstützung der Nationalliberalen wären meiner inneren 
Politik die Erfolge nicht beschieden gewesen, deren ich mich rückblickend er-
	        
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