Das Veutsche Reich nad seine einzelnen Glieder. (Januar 19.) 17
diese Gründe vor zwei Jahren im Reichstag hingewiesen in einer, wie
ich glaube, gar nicht üblen Rede. (Heiterkeit.) Auch Frhr. v. Rheinbaben
hat bei diesem Anlaß eine sehr schöne Rede gehalten. (Heiterkeit.) Aber:
tempora mutantur. Wir können in unserer gegenwärtigen Notlage nicht
an dieser Steuer vorbeigehen, deshalb haben mein Freund Herr v. Rhein-
baben und ich uns in dieser Beziehung aus Saulussen in Paulusse ver-
wandelt (Heiterkeit), und ich hoffe, daß auch für Herrn v. Pappenheim
und seine Freunde in dieser Beziehung ein Damaskus kommen wird.
(Heiterkeit). Das würde ich als ein großes Glück betrachten für die Zu-
kunft des Reiches und unseres Landes. Bei Steuern heißt es meist
wischen verschiedenen Uebeln zu wählen. Die Wahl besteht: Nachlaß=
truer oder Reichsvermögenssteuer, oder weiter erhöhte Matrikularbeiträge.
Gegen die Reichsvermögenssteuer sprechen ernste Gründe staatsrecht-
licher Natur. Es würde de facto auf eine Mediatisierung der Einzel-
staaten hinauskommen. Eine weitere Erhöhung der Matrikularbeiträge
hat die größte Schwierigkeit. Mein Freund, Herr v. Rheinbaben, glaubt
an Widerstände in dieser Richtung. Die Ergänzungssteuer würde noch
den Grundbesitz schwer treffen. Wenn in Preußen schon eine weitere
Steigerung der Matrikularbeiträge außerordentlich schwierig ist, so ist es
noch schwieriger, eine solche den kleinern, finanziell und wirtschaftlich
schwächern Bundesstaaten zuzumuten. Sie sehen also, daß sehr ernste
Gründe volkswirtschaftlicher und finanzieller Natur für die Nachlaßsteuer
sprechen. Unsere Pflicht ist es hierbei, das erkenne ich vollkommen an,
Härten zu vermeiden. Es läßt sich nicht leugnen, daß jede Nachlaßsteuer
den Grundbesitz und namentlich den ländlichen Grundbesitz sehr viel härter
trifft als das bewegliche Vermögen. (Sehr richtig!) Ich richte deshalb
an die rechte Seite des Hauses und an die Vertreter der Landwirtschaft
in diesem Hause überhaupt, sowie an die Landwirte im Lande draußen
die Bitte, der dira necessitas Rechnung zu tragen. Wir können nicht
Hunderte von Millionen vom beweglichen Vermögen erheben und den
Grundbesitz ganz frei lassen. Große Aufgaben erfordern große Opfer.
, Es ist dann die Stellung der Regierung zur Wahlrechts—
frage berührt worden. Ich kann leider heute keine weitere Mitteilung
darüber machen, als bereits in der Thronrede enthalten ist. Die Vor—
arbeiten werden mit großem Eifer betrieben. Sobald sich ein sicherer
Ueberblick gewinnen läßt, wird der Herr Minister des Innern mit weitern
Vorschlägen hervortreten. Mein Vorredner Dr. Wiemer hat auch den Fall
Schücking berührt. Als Ministerpräsident habe ich keine Veranlassung,
mich materiell zur Sache zu äußern, aber die Begleitumstände veranlassen
mich zu einigen allgemeinen Bemerkungen. Diesem Falle kommt eine
symptomatische Bedeutung nicht zu. Die langen Erörterungen in der
Oeffentlichkeit verdient er wirklich nicht. (Sehr wahr! rechts), was ich aber
vor dem Lande erklären will, ist dies: Solange ich als Ministerpräsident
und verantwortlicher Träger der Reichspolitik an dieser Stelle stehe, wird
mit meiner Einwilligung kein Beamter wegen der Betätigung liberaler,
freisinniger Gesinnung zur Verantwortung gezogen. Ich lasse auch dem
Beamten seine politische Ueberzeugung, ich greife nicht in die außer-
dienstliche politische Tätigkeit ein. Ich lasse einen Beamten nicht als suspekt
behandeln, weil er freisinnig wählt oder zur freisinnigen Partei zählt,
selbstverständlich muß der Beamte bei der Betätigung seiner Anschauungen
und Gesinnungen denjenigen Takt zeigen und diejenige Reserve sich auf-
erlegen, die ihm sein Amt und die Rücksicht auf die nebengeordneten oder
übergeordneten Behörden auferlegt. (Sehr richtig! rechts.) Selbstverständ-
lich darf ein Beamter sich auch nicht bekennen zur Sozialdemokratie.