Das Denisqhe Reit und seine einjelnen Glieder. (September 13./18.) 319
Liberalen, weil sie nach dem törichten Rezept arbeiteten, ihre Anträge so
einzurichten, daß die Bundesbrüder des Hottentottenblocks sie sollten an-
nehmen können. Den Vorwurf, daß wir keine praktische Politik treiben,
verstehe ich, wenn er von Gegnern kommt; aber ich verstehe nicht, daß ein
solch alberner Vorwurf sich wiederholt findet in unsern eigenen Reihen.
Nun sagt man ferner, wir ständen mit unsern Ideen nicht auf der Höhbe.
Das liegt gewiß an der menschlichen Unvollkommenheit. Das hat auch
einmal Bebel ausgesprochen, daß jeder von uns, wenn er von der Tribüne
heruntergeht, das Gefühl hat: das hättest du den Kerlen noch ganz anders
sagen können! Immerhin, wir haben doch auf die Massen gewirkt; das
Deutsche Reich, scheint es, ist kein Bundesstaat, sondern eine Filiale, eine
Nebenregierung Preußens. Und was Preußen ist, brauche ich Ihnen allen
nicht zu sagen. Dort herrschen die Junker, und die andern Parteien haben
sich damit abgefunden. Der Bundesrat ist nur Dekorationsbeiwerk. Selbst
Bayern hat sich Preußen unterworfen. Die Verbindung der Junker mit
Zentrum und Polen, die sich im Schnapsblock darstellt, ist weniger eine
Ehe zwischen Karpfen und Kaninchen, es ist vielmehr ein Trioleverhältnis,
wobei die Polen die Rolle der durch Zeitungsinserat gesuchten Dritten
spielen. Die Liberalen aber schlottern in ihrer Angst vor der Sozial-
demokratie. Sie werfen sich der Reaktion in die Arme und verlangen
von uns Zurückhaltung, damit sie mit uns gehen können. Wir werden
aber keine Politik treiben, um dem Krähwinkler Landsturm voranzugehen.
Aus diesem Machtverhältnis resultiert das ganze Steuersystem, unter dem
das Volk zu leiden hat. Die indirekten Steuern mit ihrer progressiven
Wirkung nach unten bekämpfen wir. Aber himmelweit verschieden sind
unsere Motive von denen der gegnerischen Presse, die den Schnapsblock
vom Standpunkt der Konkurrenz aus bekämpft. Zu meinem großen Be-
dauern hat die alberne Phrase, daß der Abgeordnete v. Heydebrand der
ungekrönte König von Preußen sei, auch bei uns Eingang gefunden. Es
war das gute Recht der Konservativen, den Bülow zu stürzen, diesen
Schaukelpolitiker. Das hätten wir gerade so gemacht. Was wir bekämpfen,
ist bloß die Heuchelei der Konservativen, die es nicht gewesen sein wollen.
Wie stehen wir nun zu den Parteien? Daß wir Zentrum, Konservative
und Polen bekämpfen, solange das Trioleverhältnis besteht ist klar. Wie
stehen wir zu den Liberalen? Haben wir den Liberalen jemals verwehrt,
für unsere Anträge zu stimmen? Haben wir nicht auch für liberale An-
träge gestimmt? Daß die Liberalen sich zu einer wirklichen Oppositions-
partei aufgeschwungen hätten, davon verspüre ich nichts. Wir können
uns nicht selbst entmannen, um auch den Liberalen zu ermöglichen, mit
uns zu gehen. Nur was uns von den bürgerlichen Parteien trennt,
bringt uns das Vertrauen der Massen und nur durch Festhalten an unsern
Prinzipien können wir uns um das rote Banner scharen.“
Ein heftiger Redekampf über die Haltung der Fraktion in der
Frage der Erbschaftssteuer entspann sich zwischen den Revisionisten (Dr. Süde-
kum, Dr. David-Mainz, Merfeld-Köln, Nottebohm-Dortmund, Gewerkschafts-
führer Robert Schmidt-Berlin, Fischer) und den Radikalen (Abg. Emmel,
Stadthagen, Hoch, Geyer, Wurm, Kautzky). Die Frage war: Was die Ab-
geordneten im Reichstage hätten tun müssen, wenn es zu einer dritten Lesung
der Erbschaftssteuer gekommen wäre. Den Revisionisten kam es zu statten,
daß die Erbschaftssteuer eine alte Programmforderung der Partei ist, während
jetzt der ultraradikale Kautzky verlangt, daß der Parteitag die Fraktion.
zur Ablehnung jeder künftigen Erbschaftssteuervorlage verpflichten solle.
Auf die parlamentarische Taktik der Sozialdemokraten wirft die
folgende Darstellung des Gewerkschaftsführes Robert Schmidt-Berlin-