18 Das Vesche Reich und seine einfelnen Glieder. (Januar 19.)
Ein Beamter ist aber auch nicht etwa sakrosankt, weil er liberal oder weil
er konservativ ist. Ich bin überzengt, daß diese Anschauung gerade auf
der rechten Seite des Hauses geteilt wird und dort nicht angenommen wird,
die königliche Staatsregierung sei von diesen Grundsätzen abgewichen. Ich
bin überzeugt, daß der Artikel der Konservativen Korrespondenz, der den
Anschein erwecken konnte, als wolle die rechte Seite dieses Hauses aus der
Beurlaubung der Regierungspräsidenten Schlüsse ziehen, falsch ausgelegt
worden ist. In unserer Zeit begegnen wir ja oft solchen unrichtigen Inter-
pretationen. (Heiterkeit.) Ich rechne auf die Zustimmung gerade der
rechten Seite dieses Hauses, wenn ich sage: Solange ich die Verantwortung
für die Geschäfte trage, lehne ich jede Einmischung dritter in das Ver-
hältnis zwischen den Vorgesetzten und den Beamten mit Entschiedenheit
ab. Hier sind Legislative und Exekutive streng zu scheiden, selbst in rein
parlamentarisch regierten Ländern wird kein pflichtbewußter Minister sich
dieses Recht streitig machen lassen. Ueber die Versetzung und die Ent-
lassung eines Mannes entscheidet allein die Staatsraison und das Interesse
des Dienstes.
Ich möchte aber noch ein Wort sagen über die politischen
Beamten. Ich verlange von ihnen — und wünsche, daß mein Wort in
den Kreisen der politischen Beamten gehört und beherzigt werde — daß
sie der von dem Kaiser gebilligten und vertretenen Politik der Staats-
regierung nicht nur keine Hindernisse in den Weg legen, sondern sie unter-
stützen und fördern. Es geht nicht an, und ich dulde es nicht, daß die
Beamten glauben, Politik auf eigene Hand treiben zu können. In
dem Allerhöchsten Erlaß von 1882, welcher vom Fürsten Bismarck gegen-
gezeichnet ist, wird das ausdrücklich ausgesprochen, dieser Erlaß ist noch in
Kraft und ich werde dafür sorgen, daß er überall und unbedingt zur An-
wendung gelangt. (Beifall links.)
Der Vorredner ist auf die Beurlaubung des Ministers Holle
zu reden gekommen. Die Regierung beklagt es tief, daß der Minister
Holle seine Kräfte so sehr erschöpft hat, daß ihm von ärztlicher Seite für
einige Zeit Fernhaltung von den Geschäften zur Pflicht gemacht werden
mußte. In dem Gefühl, daß ein so wichtiges Ressort nicht für lange des
Chefs entbehren kann, hat Herr Holle schon Ende vorigen Jahres den
Kaiser um seine Entlassung gebeten. Der Kaiser hat sich noch nicht ent-
schließen können, diesem Gesuche Folge zu geben, da die Hoffnung besteht,
daß der Minister Holle bei weiterm Aufenthalt in gesundem Klima seine
Kräfte vollständig wiedergewinnt. Es bedarf wohl kaum der Rechtfertigung,
daß unter diesen Umständen nicht auf den Rücktritt eines Mannes ge-
drängt wird, der sich mit großer Pflichttreue und mit lauterster Gesinnung
den Aufgaben seines schwierigen Amtes bis zur völligen Erschöpfung seiner
Kräfte unterzogen hat. Selbstverständlich kann das jetzige Interimistikum
nicht lange dauern, sollte der Minister Holle sich bis zum Frühjahr nicht
ganz erholt haben, so wird die Neubesetzung des Kultusministeriums statt-
finden müssen. Es ist ja angeregt und auch im Schoße des Staats-
ministeriums erörtert worden, ob vielleicht dem einen oder andern Minister
das Kultusministerium vertretungsweise zu übertragen wäre, aber die
Minister, die allenfalls in Frage kämen, haben mich händeringend gebeten
(große Heiterkeit), doch davon abzusehen. Unter diesen Umständen bitte
ich Sie, den persönlichen und den sachlichen Schwierigkeiten, bei der Be-
ratung des Etats Rechnung zu tragen.
Von zwei Seiten ist an die ernsten Debatten erinnert worden,
die vor einiger Zeit im Reichstag stattgefunden haben. Ich habe auch
nach den hier gemachten Ausführungen keine Veranlassung, mein damaliges