Des Dentsqhe Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 19.) 19
Verhalten zu rechtfertigen. Ich halte mich aber doch für verpflichtet, um
Mißdeutungen, namentlich in der Presse entgegenzutreten, zu sagen, Pflicht
des verfassungsrechtlich verantwortlichen Reichskanzlers und Ministerpräsi-
denten ist es, den Träger der Krone zu decken. Dieser Verpflichtung
habe ich mich niemals entzogen. Ich will nicht alle Fälle aufzählen, ich
will nur an das erinnern, was ich vor vier oder fünf Jahren im Reichstag
ausgeführt habe, als Bebel und Richter von Kabinettsregierung sprachen.
Man solle, sagte ich damals, nicht vergessen, die großen Vorteile, welche
mit einer stark ausgeprägten und begabten Individualität eines Fürsten
verbunden seien. Man solle nicht ungerecht sein für das tatkräftige und
redliche Wollen unseres Kaisers, für den großen Zug in seinem Wesen,
für seinen freien und vorurteilsfreien Sinn. Meiner Verantwortlichkeit
häite ich mich niemals entzogen, und wenn ich diese Verantwortlichkeit
nicht mehr tragen könnte, würde ich dem Zwiespalt zwischen der Auffassung
des Monarchen und mir dadurch ein Ende machen, daß ich Se. Majestät
bäte, mich meines Amtes zu entheben. So habe ich stets getan, was zu
tun meine Pflicht war, und alles, was zu tun ich vermochte, um den
Träger der Krone vor Mißdeutungen zu schützen, um sein Verhalten zu
erklären und zu rechtfertigen, und um sein Ansehen zu wahren. Ich habe
auch, als der Artikel im Daily Telegraph erschien, nicht einen Augen-
blick gezögert, den Sachverhalt richtig zu stellen und die Schuld auf mich
zu nehmen. Ich habe im Reichstag alles hervorgehoben, die unglückliche
Wirkung jenes Interviews abzuschwächen und zu beseitigen. Ich habe den
angeblichen Feldzugsplan gegen die Buren, die mißverstandenen Aeuße-
rungen Rußlands über Japan ufw. richtiggestellt, aber ich habe auch die
Pflicht, dafür zu sorgen, daß zwischen dem Träger der Krone und den
Wünschen und dem Empfinden des Landes nicht ein Zwiespalt entstehe,
der für beide Teile verhängnisvoll sein müßte. Der verantwortliche Mi-
nister hat dafür zu sorgen, daß der Träger der Krone nicht irre werde
an dem Lande und das Land nicht irre an dem Träger der Krone. Er
hat dafür zu sorgen, daß die Verfassung nicht nur dem Buchstaben nach,
sondern auch dem Geiste nach aufrecht erhalten bleibt. Der preußische
Ministerpräsident hat vor allem dafür zu sorgen, daß die historische Stel-
lung der Krone, die die Grundlage unserer Wohlfahrt und Macht und
Zukunft ist, nicht aufs Spiel gesetzt und nicht abgenützt werde. In diesem
Hause sind viele Männer, die mit Stolz von sich sagen können „Königs-
treu bis in die Knochen“. Ich bin aber überzeugt, daß nicht bloß sie,
sondern jeder ehrlichdenkende Anhänger der monarchischen Staatsform und
der Stellung des Kaisers im Reich mich verstehen und mir glauben wird,
wenn ich sage, daß ich gerade in den schweren Novembertagen als wahr-
hafter Royalist gehandelt habe, in Uebereinstimmung mit dem ganzen
Staatsministerium und mit dem gesamten Bundesrat. In dieser Ueber-
zeugung lasse ich mich nicht irre machen, auch nicht durch einfältige oder
perfide Zeitungsartikel, durch Klatsch und Kamarillagerede. In dieser
meiner Pflichterfüllung werde ich nicht erlahmen, solange ich die Verant-
wortung trage für die Geschäfte des Landes. (Bravo rechts.) Die Liebe
zum Vaterlande, die Treue zum Königshause weisen mir den Weg vor,
den ich zu gehen habe. Lassen Sie uns alle dahin wirken, daß die Er-
innerung an die Taten unserer Könige und alles was sie für dies Land
getan haben, in der Folge nicht verdunkelt wird.
Ich habe noch eins auf dem Herzen. Ich höre so oft, die Regierung
müsse energischer vorgehen gegen die Sozialdemokratie.
Meiner Pflicht gegenüber der Sozialdemokratie bin ich mir sehr
wohl bewußt. Es hat nicht gefehlt an gesetzgeberischen Versuchen, die
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