Das Beische Reich und seine rintelnen Elieder. (Dezember 3.—8.) 349
3. Dezember. Landtagsersatzwahl in Halle (Saalkreis).
Oberpostassistent Delius (Freis. Bp.) siegt mit 423 gegen den Kandi-
daten der Konservativen, Klempnermeister Grecke, mit 243 Stimmen.
3. Dezember. (Kiel.) Werftprozeß.
Der am 1. November begonnene Prozeß gegen die Beamten der
Kieler Werft Heinrich, Chrunst, Riecken, Farsbutter und Kaukowski wegen
Amtsunterschlagung, Urkundenfälschung und Bestechlichkeit und gegen die
Kaufleute Frankenthal, Brakel, Hermann Jacobsohn und Siegfried Jacob-
sohn wegen Beihilfe ur Amtsunterschlagung und Bestechung, resp. Bei-
iffe dazu, endet mit Berneinung sämtlicher Schuldfragen wegen mangelnder
eweise und der Freisprechung sämtlicher Angeklagten. Die Verschleuderung
von Altmaterial wird auf Mißstände im Verwaltungsbetriebe zurückgeführt.
Die von der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision wird am 7. Dezember
zurückgezogen.
4. Dezember. (Reichstag.) Die Abänderung des 8§ 15 des
Zolltarifgesetzes, der das Reich verpflichtet, die Witwen- und Waisen-
versicherung am 1. Januar 1910 einzuführen, schiebt diesen Termin
bis zum 1. April 1911 hinaus.
5. Dezember. (Bayern.) Mit der Annahme des Umlage-
gesetzes erledigt die Abgeordnetenkammer die bayerische Steuerreform-
vorlage.
6./7. Dezember. (Reichstag.) Besprechung der Interpella-
tionen der Freifinnigen und der Sozialdemokraten über die Un-
regelmäßigkeiten und Unterschleise auf der Reichswerft in Kiel.
Der Staatssekretär von Tirpitz gibt in der Erwiderung als tat-
sächlich festgestellt zu, daß die Gewichtskontrolle in dem Altmaterialbetrieb
verbesserungsbedürftig, und daß die Aufsicht durch die höheren Instanzen
nicht ausreichend ist. Um den Schaden, der möglicherweise entstanden sein
kann, zu berechnen, gibt er in seiner zweiten Rede an, daß der Umsatz an
Altmaterial jährlich überhaupt nur 300000 Mark betrage, und daß doch
nur höchstens 10 bis 15 Prozent unterschlagen sein können.
Der Handelsvertrag mit Portugal wird nach längerer Besprechung
an eine Kommission von 28 Mitgliedern verwiesen.
8. Dezember. Schiffahrtsabgaben.
Die Regierungen von Baden und Sachsen überreichen dem Reichs-
kanzler eine gemeinsame Denkschrift über die Erhebung von Schiffahrts-
abgaben, worin die Beibehaltung der Abgabefreiheit mit rechtlichen und
wirtschaftlichen Argumenten verteidigt wird. Die Befreiung der deutschen
Stromschiffahrt von Flußzöllen und Wasserweggeldern gehe auf den Wiener
Kongreß zurück und habe Deutschlands gesamte Volkswirtschaft befruchtet.
Die durch die Abgaben zu erwartende Frachtenverteuerung werde den Tal-
verkehr geringwertiger Massengüter wie Steine, Sand usw. beseitigen. Die
Zweckverbände zur Flußverbesserung unter Aufsicht des Bundesrates bedeuten
einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Bundesstaaten.
Der Schluß der Erklärung lautet: „Die Regierungen Sachsens
und Badens glauben hiermit dargetan zu haben, mit wie überaus weit-
tragenden, grundsätzlich bedenklichen Folgen wirtschaftlicher, politischer und
verfaffungsrchtlicher Art die von der preußischen Regierung erstrebte Zu-