364 Das Dentste Reith und seine einjelnen Slieder. (Dezember 9.)
unseren Schutzgebieten werden durch die eigenen Einnahmen reichlich ge-
deckt, obwohl die Aufwendungen dafür nicht unwesentlich gestiegen sind.
Wir können es dankbar begrüßen, daß der Staatssekretär der Frage der
Baumwollkultur so große Aufmerksamkeit schenkt.
Herr v. Hertling ist auf die innere Lage in Deutschland zu sprechen
ekommen. Die Auffassung des Herrn v. Hertling, daß das Zentrum keine
onfessionelle Partei sei, können wir nicht teilen. Wenn man die Reden
und Vorträge liest, die am Rhein gehalten worden sind von den Herren
Bitter und Roeren, so wird man doch zu der Ansicht kommen müssen,
daß das Zentrum eine konfessionelle Partei ist. Redner verliest unter
Heiterkeit der Linken Teile der Reden der Herren Bitter und Roeren aus
der Osterdienstagversammlung in Köln und weist an der Hand dieser Reden
nach, daß das Zentrum in der Tat eine konfessionelle Partei ist. Durch
das Bestehen dieser großen konfessionellen Partei wird, so fährt der Redner
sort, unsere ganze politische Entwickelung aufgehalten. Mit der Großblock-
politik in Baden bin ich nicht einverstanden, aber dem Zentrum muß ich
doch sagen: Wer Wind sät, muß Sturm ernten. Die Politik des Herrn
Wacker gegen die Nationalliberalen hat es verschuldet, daß der größte Teil
der badischen Nationalliberalen zu Anhängern der Großblockpolitik ge-
worden ist. Weiter kommt das gute Vorbild des Zentrums für die badischen
Nationalliberalen in Betracht. Das Zentrum hat kein Recht, uns vor-
zuwerfen, wir gingen mit den Sozialdemokraten zusammen. Denken Sie
doch an Neustadt--Landau, wo Zentrum und Bündler für den Sozial-
demokraten gestimmt haben. (Zurufe bei den Sozialdemokraten: Das war
sehr lobenswert!) In Königsberg in Preußen haben ebenfalls die kon-
servativen Bürgervereine empfohlen, Gewehr bei Fuß zu stehen. Damit
wurden die Geschäfte der Sozialdemokraten betrieben. Also es heißt:
Jeder kehre vor seiner Türk
Nun hat man gesagt, es müsse alles getan werden, um wieder eine
Einigung der bürgerlichen Parteien herbeizuführen. Preußen ist ja in
der glücklichen Lage, eine große Aufgabe zu haben. Da steht die Wahl-
rechtsfrage zur Entscheidung und an dieser Wahlrechtsfrage hat das ganze
Deutsche Reich Interesse. Die Wahlreform ist in der Thronrede angekün-
digt worden. Wir haben das geheime Wahlrecht gefordert und dieser
Forderung hat sich der gesamte Mittelstand angeschlossen. Man will damit
der Beeinflussung auf dem platten Lande und dem sozialdemokratischen
Terrorismus entgegentreten. Preußen steht vor einer großen Aufgabe
und Preußen hat auch in der gesamten deutschen Politik große Aufgaben.
Das gilt namentlich von den Eisenbahnfragen. Da wird Preußen ein-
greifen müssen, auch wenn es finanzielle Opfer bringen sollte. Eine weitere
große Aufgabe hat Preußen. Der „Reichsbote“ hat es uns verraten, daß
in Preußen durch einen Antrag Deszendentenbesteuerungen durch die Kon-
servativen eingeführt werden sollten. (Große Heiterkeit.) Der frühere
Minister Herr v. Köller hat ja auch gesagt, daß diese Besteuerung wieder-
kommen werde. Wir teilen die Meinung, daß es nicht schon heute an
der Zeit ist, mit neuen Steuern an den Reichstag heranzutreten. Aber
sagen muß man heute schon, daß man hinreichend vom Reiche die Hand
auf diese Steuern legen muß, damit sie nicht die Einzelstaaten mit Be-
schlag belegen. Denn das steht fest, daß bei der nächsten Finanzreform
wir nicht wieder mit Konsumsteuern kommen dürfen. Die Blockpolitik
hat das Resultat gehabt, die liberalen Parteien sich näher zu bringen.
Das ist erfreulich. Die Annäherung ist vorhanden, mehr nicht. Zwischen
den Nationalliberalen und den linksliberalen Parteien bestehen nach wie
vor starke Unterschiede, vielleicht die schärfsten auf wirtschaftlichem Gebiet.