Das Denisqhe Reich und seine einjelnen Glieder. (Dezember 11.) 377
die Reichstagsfraktion und die Parteileitung aus Anlaß ihrer Tätigkeit
und ihrer Haltung in der Frage der Reichsfinanzreform aus allen Teilen
des Reichs zum Ausdruck gekommen sind. Wenn auch über die Wege zur
Ordnung der Reichsfinanzen innerhalb der konservativen Partei die An-
sichten und Wünsche auseinander gegangen sind, so erkennt doch der
Delegiertentag in vollem Maße an, daß das ungeschmälerte Aufbringen
der zur Beseitigung der Finanznot des Reiches erforderlichen fünfhundert
Millionen eine Aufgabe von höchster nationaler Bedeutung war, und daß
es nur den Bemühungen der konservativen Fraktion des Reichstages zu
danken ist, wenn die Beseitigung der Finanzkrisis und damit die Gesundung
des Reiches im Innern wie die Stärkung seines Ansehens im Auslande
herbeigeführt worden ist. Der Delegiertentag hat sich mit Genugtuung
davon überzeugt, daß dieses Resultat erzielt worden ist in voller Selb-
ständigkeit der Partei ohne Verpflichtung gegen andere Parteien. Er hat
das Vertrauen, daß auch in Zukunft die konservative Partei fest, stark
und unabhängig nach allen Seiten bleiben wird."“
„Der allgemeine Delegiertentag der deutsch-konservativen Partei ist
davon überzeugt, daß die konservative Partei wie bisher so auch künftig
unverrückt für das Wohl jeder rechtlichen Arbeit in Handel, Gewerbe, Amt
und in allen mittelständischen Berufen wirken und daß sie neben ihrer
niemals nachlassenden Fürsorge für die Landwirtschaft ebenso für die wohl-
verstandenen und wohlberechtigten Interessen der städtischen und industri-
ellen Bevölkerung und für die Förderung geistiger Kultur eintreten wird.
Der Delegiertentag hofft und erwartet, daß sich alle unsere Parteigenossen
im Lande gegenüber den immer rücksichtsloser das Haupt erhebenden
Mächten des Umsturzes fester denn je zusammenschließen. Unter der be-
währten Leitung unserer Partei wollen wir mehr und mehr eine gesammelte
Macht derjenigen sein, die auf der Grundlage der bestehenden und be-
währten Einrichtungen an der von den Zeitverhältnissen gebotenen Fort-
entwickelung unserer öffentlichen und sozialen Einrichtungen rückhaltlos
arbeiten unter dem Wahlspruch: „Mit Gott für Kaiser und Reich, für
Fürst und Vaterland.““
11. Dezember. (Reichstag.) Dritter Tag der Etatsdebatte.
Mannesmann-Affäre. „Ferrer-Rummel“. Preußisches Wahlrecht.
Ostmarkenpolitik. Elsaß-Lothringen.
Abg. Liebermann v. Sonnenberg (W. Bgly): Die diesjährige
Etatsberatung trägt die Signatur der Rückblicke und der Ausblicke. Das
ist natürlich bei den Veränderungen, die in unserer Politik vorgegangen
sind. Wir haben zu dem Block gehalten, solange es möglich war, und
wir haben dabei schwere Opfer gebracht. Aber bei der Finanzreform war
es nicht mehr möglich. Wir glauben, wir haben bei dieser Reform praktisch,
vernünftig und patriotisch gehandelt. Alles mußte in den Hintergrund
treten vor der Notwendigkeit, dem Reiche rasch die erforderlichen Summen
zu bewilligen. Zunächst glaubten wir, daß mit der Erbschaftssteuer eine
Finanzreform möglich sei. Als sich das Gegenteil herausstellte, mußten
wir sehen, auf andere Weise eine Mehrheit zu schaffen. Aufs schärfste
verurteilen muß ich aber die Agitation der Liberalen und Sozialdemokraten
gegen die neue Mehrheit. Von dem Führer der nationalliberalen Partei
ist sogar das Wort vom Raubzug gesprochen worden. Man hat auch den
Evangelischen Bund gegen die Finanzreform mobil gemacht. Nun ist der
Hansabund gegründet, der so tut, als ob er nicht politisch wäre. Die
nächsten Wahlen werden das Gegenteil beweisen; sie werden unter dem