Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

388 Das Veutsche Reich und seine einjelnen Glieder. (Dezember 12. 13.) 
12. Dezember. (München.) Dr. Karl Krumbacher, der 
Begründer der mittelgriechischen (byzantinischen) Philologie, f, im 
Alter von 53 Jahren. 
12. Dezember. Erlaß an die Generalkommandos. 
Der Kriegsminister weist darauf hin, daß es im Interesse des Staates 
liege, den Sinn der Jugend für das Militärische möglichst zu erhalten 
und zu fördern. Das könne geschehen, indem man Schülern, namentlich 
ganzen Klassen und Schulen, die Teilnahme als Zuschauer an Parade- 
und sonstigen Uebungen gestatte und sie über den Gang unterrichte, ferner 
indem man die Bestrebungen zur Steigerung der körperlichen Leistungs- 
fähigkeit durch unentgeltliche Ueberlassung von Exerzier- und Turnplätzen, 
Exerzierhäusern, Turnhallen usw. zur Pflege des Sports und Turnens 
fördere, auch durch Zulassung von Schülern zu den Militärschwimmanstalten. 
13. Dezember. (Reichstag.) Vierter Tag der Etatsdebatte. 
Elsaß-Lothringen. Bergrecht in Marokko. Schluß der Generaldebatte. 
Reichskanzler v. Bethmann Hollweg: Von verschiedenen Seiten 
dieses hohen Hauses ist im Laufe der bisherigen Etatsdebatte auf Vor- 
gänge in Elsaß-Lothringen hingewiesen worden, die in letzter Zeit 
die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt haben. Ich halte die 
politische Entwickelung in Elsaß-Lothringen und die Beurteilung ihres 
gegenwärtigen Standes für so wichtig, daß ich Sie um die Erlaubnis 
bitte, auch meine Anschauungen kurz darzulegen. Vorweg möchte auch ich 
feststellen, daß bei der Schilderung der Weißenburger Feier sowohl 
französischen als auch deutschen Blättern mancherlei Uebertreibungen unter- 
gelaufen sind, den einen in der chauvinistischen Verwertung der Eindrücke 
von der Feier, den anderen in der Ausmalung des uns zugefügten nationalen 
Schadens. Zieht man auf beiden Seiten ab, was nach dem Urteil gewissen- 
hafter Beobachter als Uebertreibung erscheint, so bleibt doch das eine be- 
stehen, daß in die Weißenburger Totenfeier politische Momente hinein- 
getragen worden sind, die ihr unter allen Umständen hätten fernbleiben 
müssen. Wenn die elsaß-lothringische Regierung das Programm der Feier 
mit geringen Abänderungen genehmigt hatte, so ist sie dabei von der An- 
schauung ausgegangen, die ich vollkommen teile, daß die Ehrung tapferer, 
für ihr Vaterland gefallener Krieger, gleichviel, welcher Nationalität und 
gleichviel, auf welchem Boden, eine Betätigung der Pietät ist, die nicht 
gehindert werden soll. Daß dem Takte der Veranstalter der Feier ein 
gewisser Spielraum gelassen werden mußte, war nicht zu vermeiden. Aber 
ebenso läßt sich leider nicht bestreiten, daß dieser Takt nicht ausgereicht hat, 
um Unzuträglichkeiten bei der Veranstaltung fern zu halten. Unzweifelhaft 
hat politischer Chauvinismus versucht, den Kultus der Toten seinen Zwecken 
dienstbar zu machen. Es ist Vorsorge dahin getroffen, daß derartige Aus- 
schreitungen in der Zukunft nicht wiederkehren. Die Unruhe, die durch 
die Weißenburger Feier hervorgerufen wurde, hat neue Nahrung empfangen 
durch den Vorgang von Mülhausen. Wenn aus dem zeitlichen Zusammen- 
hang gefolgert worden ist, daß in Mülhausen die Stimmung von Weißen- 
burg fortklang, so hat die Elsaß-Lothringische Regierung durch ihr schnelles 
und energisches Eingreifen gezeigt, daß solche Herausforderungen in den 
Reichslanden nicht geduldet werden. Wenn ich das betone, so füge ich 
allerdings sofort hinzu, daß ich es ablehne, von diesen Vorkommnissen 
allgemeine Rückschlüsse auf die Stimmung in Elsaß-Lothringen zu ziehen. 
Ich bin überzeugt, daß die große Mehrheit der Elsaß-Lothringischen
	        
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