Das Deutfsche Reich und seine rintelnen Slieder. (Dezember 13.) 389
Bevölkerung derartige VBersuche zur Verhetzung als einen schädlichen Ein-
griff in ihr Verhältnis zur reichsländischen Regierung weit von sich ab-
weist und als eine Gefährdung ihrer eigenen Interessen bitter empfindet.
Kein Mensch in Deutschland denkt daran, den Elsaß-Lothringern die pietät-
volle Erinnerung an die Vergangenheit zu verübeln. Es kommt nur
darauf an, wie sich diese Gefühle betätigen, damit weder im Inland noch
im Ausland eine Begriffsverwirrung Platz greift. In Sonderheit geht
es nicht an, die unter deutscher Herrschaft geborene Generation künstlich zu
Trägern von Erinnerungen zu machen, die nicht die ihrigen sind, sondern
die einer vergangenen und verflossenen Periode der elsaß-lothringischen Ge-
schichte angehören. Das Reich wünscht und fördert auf jede mögliche Weise
die Entwickelung der Reichslande nicht nur in materiellen Fragen, sondern
auch auf dem Gebiete der Erweiterung politischer Selbständigkeit. Aber
die Gewährung dieser Selbständigkeit erfordert im Interesse des Reichs-
ganzen Garantien, die in erster Linie die Elsaß-Lothringer selbst gewähren.
müssen. Die einfache Erfüllung der staatsbürgerlichen Pflichten, die sich
von selbst versteht, genügt dazu nicht. Die Parole, die man immer häufiger
und immer dringender hört: Elsaß-Lothringen den Elsaß-Lothringern! hat
etwas Bestechendes und etwas Berechtigtes, soweit sich darin der Gedanke
kraftvoller Entwickelung des Landes auf der Grundlage der Stammesart
seiner Bewohner ausspricht. Jeder Schritt auf dem Wege der Verwirklichung
dieses Gedankens wird aber erschwert, wenn sich eine Agitation breit macht,
die es sich zur Aufgabe stellt, die ur= und kerndeutschen Elemente des
Volkscharakters zu verkümmern, zum Absterben zu bringen zugunsten einer
künstlichen, weder durch ethnographische, noch durch geschichtliche Beziehungen
berechtigten Verwelschung des Landes. Und je unverhüllter sich diese Be-
strebungen ans Licht wagen, um so mehr schwindet die Neigung, die ver-
fassungsmäßigen Wünsche der Elaß-Lothringer zu erfüllen. Besonders
erschwert würde die Lage werden, wenn Elsaß-Lothringer reindeutscher
Abstammung — und es gibt eine große, große Zahl — derartigen Be-
strebungen nicht nur keinen Widerspruch entgegensetzen, sondern es als
einen erlaubten, ich möchte sagen als einen vornehmen Sport betrachten,
in irgend einer Form mit diesen Bestrebungen zu kokettieren. Der Erfolg
könnte nur der sein, daß die Schranken, die man künstlich zwischen Elsaß-
Lothringen und Deutschtum aufrichten will, sich zugleich als eine Schranke
zwischen Elsaß-Lothringen und die Autonomie stellen. Ich möchte aber
auf der anderen Seite davor warnen, daß man jedes Hervortreten elsaß-
lothringischer Wünsche als einen Akt der Auflehnung gegen den Reichs-
gedanken behandelt. Das Festhalten der Elsaß--Lothringer an ihrer Eigen-
art ist, wie ich mir soeben zu sagen gestattete, etwas Berechtigtes, und es
wird den inneren Frieden des Landes fördern und die bestehenden Gegen-
sätze ausgleichen, wenn diese Eigenart auch von den Eingewanderten berück-
sichtigt und beachtet wird. (Sehr richtig.) In dieser Beziehung sind mir
die Ausführungen des Abgeordneten Dr. Hoeffel besonders wertvoll ge-
wesen, nicht nur wegen ihrer Objektivität und starken Betonung des Reichs-
gedankens, sondern auch in Rücksicht auf die Person des Herrn Redners,
der einer altelsässischen Familie angehört und auf das innigste mit seinem
Heimatlande verwachsen ist. Jemehr man sich daran gewöhnt, hüben und
drüben die Dinge unbefangen und frei von chauvinistischen Uebertreibungen
anzusehen, um so eher wird Elsaß-Lothringen aufhören, der Schauplatz
nationaler Streitigkeiten zu sein, und um so eher wird es gelingen, den
Weg dafür frei zu machen, daß sich Elsaß-Lothringen seinem Wunsche
gemäß als ein wertvolles Glied der deutschen Staatenfamilie betätigt.
(Lebhafter Beifall.)