Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

392 Hes Pertsqhe Reiqh und seine einjelnen GSlieder. (Dezember 13.) 
hat allerdings Erfolg gehabt. Für Ferrer sind nicht nur die Sozial- 
demokraten eingetreten, sondern alle liberalen Elemente. Auch im Reichs- 
tag gibt es leider immer noch Männer, die für einen Verbrecher wie Ferrer 
eintreten. (Stürmischer Widerspruch links.) Nach allem, was wir über 
die Vorgänge bei der Verurteilung Ferrers wissen, kann Spanien verlangen, 
daß wir anerkennen, daß das Urteil zu recht erfolgt ist. Sie kämpfen für 
den Mann aus bestimmten Gründen und das sind religiöse Abneigungen, 
und ich trete hier ein für die Gerechtigkeit eines Urteils eines zivilisierten 
Volkes. Aber wie diese Vorgänge ausgenutzt worden sind von den Sozial- 
demokraten und Liberalen, das ist für die staatserhaltenden Parteien.. 
das wird ein Wegweiser sein für die staatserhaltenden Parteien. Und 
diesen Wegweiser haben Sie uns gegeben. 
Abg. Müller-Meiningen (freis. Vp.): Wenn der Abg. zu Putlitz 
esagt hat: Wir Konservativen wollen die Gleichberechtigung mit den 
iberalen in Preußen, so klingt das geradezu wie eine Verhöhnung (Leb- 
hafte Zustimmung links), wenn man sieht, in wessen Händen die wichtigsten 
Verwaltungsressorts im Vorstaate Preußen liegen; wenn man sieht, wie 
der Satz in der preußischen Verfassungsurkunde, daß alle Standesvorrechte 
beseitigt werden sollen, einfach auf dem Papier stehengeblieben ist. Ist es 
nicht noch in der letzten Zeit von feudaler Seite als eine Herabsetzung be- 
trachtet worden, an den Lasten des modernen Staates teilzunehmen, eine 
Gesinnung, die auch bei der Erbschaftssteuer vollkommen zur Geltung ge- 
bracht ist? Mit dieser Gesinnung hatten Freiherr von Stein und Harden- 
berg und im 20. Jahrhundert Fürst Bülow zu kämpfen. Aus dieser selben 
Gesinnung heraus sagte in der bekannten Pinguinenversammlung der 
edelste Pinguin Quidam: Das Steuerzahlen ist gemein, die Kanaille hat 
zu zahlen. Sollten unter den Nachkommen dieses Quidam nicht auch 
einige preußische Großgrundbesitzer und Junker sein? (Aul-Rufe rechts 
und im Zentrum.) Wie können Sie von staatsbürgerlicher Gleichberech- 
tigung sprechen, von Fortschritten, in demselben Zeitpunkte, in dem Sie 
mit aller Schroffheit die Forderung auf ein allgemeines, gleiches, direktes 
und geheimes Wahlrecht für Preußen ablehnen? Herr zu Putlitz hat 
emeint, es sei eine Anmaßung von einem Nichtpreußen, so etwas zu 
sordern. Ja, liegt denn darin nicht eine capitis diminutio des Vorstandes 
Preußen? Ganz Deutschland hat das allergrößte Interesse an der Ent- 
wickelung des preußischen Wahlrechts. (Zustimmung links.) Die preußische 
Politik würde unzweifelhaft eine freiheitlichere sein, wenn in weiten Kreisen. 
des Mittelstandes das Gefühl der staatsbürgerlichen VBerantwortung für 
derartige Wahlen vorhanden wäre. Denn ganz Deutschland steht unter 
dem direkten und indirekten Einfluß Preußens. Warum hat man denn 
eine solche Angst in Preußen vor einer Wahlreform, die man in Süd- 
deutschland durchgeführt hat? Ein so konservativer Mann wie der bayrische 
Thronfolger würde dafür nicht eingetreten sein, wenn er diese Maßregel 
als geradezu revolutionär angesehen hätte.Weshalb hat übrigens Herr 
Gröber sich über die so wichtige Branntweinliebesgabe gänzlich aus- 
geschwiegenn Das war doch der Treffpunkt für Zentrum und Rechte, der 
öder, auf dem die Rechte eingeschnappt hat. Herr Kollege Erzberger wird 
etwas verlegen (Große Heiterkeit); er wird rot, er versucht wenigstens, rot 
zu werden. (Stürmische Heiterkeit.) In seiner Broschüre über die Auf- 
lösung des Reichstages heißt es, das Zentrum habe auch jetzt schon erklärt, 
daß es keinen Pfennig neuer Steuern bewillige, ehe nicht die Branntwein- 
steuer verbessert, die Branntweinliebesgabe an die ostelbischen Großbrenner, 
die von Rechts wegen dem Reiche gehöre, abgeschafft werde (Hört! hört! 
links); weiter heißt es: Wir sind gegen die Erhöhung der indirekten
	        
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