II.
Die österreichisch-ungarische Monarchie.
1. Januar. (Ungarn.) In den politischen Neujahrsreden
kommen die schwebenden Fragen zur Sprache.
Während Kossuth erklärte, daß er an seinem alten Standpunkt in
der Bankfrage festhalte, und alle Redner der Unabhängigkeitspartei die
Forderung der selbständigen Bank scharf betonten, befürwortete Minister-
präsident Wekerle eine solche Lösung der Frage, daß neben den staats-
rechtlichen Interessen auch die wirtschaftlichen nicht zu kurz kommen. Graf
Andrassy aber stellte die Forderung auf, daß die großen Schwierigkeiten,
die heute bestehen, nach den erprobten Grundsätzen der Verfassungspartei
gelöst werden würden. Auch die Warnung Wekerles an die Adresse der
Unabhängigkeitspartei, nicht aus kleinlichen Parteirücksichten die Gesinnungs-
treue bis zum Starrsinn zu treiben, war gegen die Anhänger der Bank-
trennung gerichtet. Ueberdies kündete Wekerle an, daß zur Entwickelung
der Wehrmacht Opfer gebracht werden müssen, wofür Ungarn auf dem
Gebiete der Heeressprache Zugeständnisse erhalten werde.
4. Januar. Die „Reichspost“ schreibt über die Krisis im Orient:
„Auf unseren Verhandlungen in Konstantinopel ruht heute das
Schwergewicht der Situation, nicht auf der müßigen, weil schon entschie-
denen Krage des Verhältnisses zwischen Wien und Berlin, das durchweg
von Vertrauen und Loyalität beherrscht wird.“
9. Januar. Neue Anerbietungen Oesterreichs an die Türkei.
Der österreichisch-ungarische Botschafter Markgraf Pallavicini hat
nach Ablauf der Beiram-Festlichkeiten die Verhandlungen mit dem Groß-
wesier wieder ausgenommen und auf Grund der erhaltenen neuen BWei-
sungen Kiamil Pascha folgende Vorschläge gemacht: Oesterreich - Ungarn
hält seine Vorschläge für den Abschluß eines Handelsvertrages aufrecht,
worin es von vornherein seine Zustimmung zur Erhöhung der türkischen
Zölle von 11 auf 15 Prozent und auf Einführung gewisser Monopole
erteilt. Unter Berücksichtigung des wiederholt geäußerten Wunsches der
Türkei, als Entgelt für die Abtretung ihrer Souveränitätsrechte auf
Bosnien eine finanzielle Zuwendung zu erlangen, kommt die österreichisch-
ungarische Regierung diesem Wunsche in der Weise entgegen, daß sie sich
bereit erklärt, der türkischen Regierung als Ersatz für die in Bosnien und
der Herzegowina gelegenen ehemaligen türkischen Staatsgüter einen Betrag
von 2½ Millionen türkischen Pfund anzubieten. Da es aber nicht ganz
klar ist, ob es sich um ottomanisches Staatseigentum oder um ein Eigen-
tum der beiden Provinzen handelt, knüpft die österreichisch-ungarische Re-
gierung ihr Anerbieten an die Bedingung, daß diese juridische Frage in
authentischer Weise, nötigenfalls durch einen Schiedsspruch, festgestellt werde.