Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Die äserreichischungerische Mosarcie. (März 9.—23.) 419 
9. März. (Bosnien und Herzegowina.) General der In- 
fanterie Varesanin wird zum Chef der Landesregierung Bosniens 
und der Herzegowina ernannt. 
9. März. (Agram.) Zusammenstoß zwischen Mitgliedern 
der Starcewitsch-Legion, die zur Verteidigung gegen die großserbische 
Agitation gegründet worden ist, und deren Gegnern. 
In dem Handgemenge sind 30 Revolverschüsse abgegeben worden, 
durch die drei Personen schwer und drei leicht verletzt worden sind. Drei 
Personen wurden verhaftet. 
10. März. (Wien.) Die Wiedereröffnung des Reichsrates 
vollzog sich ohne erhebliche Störung. 
Präsident wurde der christlichsoziale Pattai, gegen den nur die 
Tschechen den Zählkandidaten Patschek aufgestellt hatten; als Vizepräsidenten 
wurden wiedergewählt der deutschfreiheitliche Steinwenter (311), der Pole 
Starzyinsky (308), der Agrarier Zazvorka (227), der Sozialdemokrat Perner- 
storfer (207 Stimmen). Für den Slowenen Pogtznik wurde als südslawischer 
Bertreter der Kroate Laginja (234) gewählt. 
22. März. (Cisleithanien.) Abgeordnetenhaus. Ueber die 
auswärtige Lage gibt der Ministerpräsident v. Bienerth folgende 
Erklärung: 
Wie ich bereits in der vorigen Woche mitzuteilen in der Lage war, 
hat die Note, welche die serbische Regierung in Beantwortung der Demarche 
des Grafen Forgach erteilt hat, unseren Erwartungen nicht entsprochen. 
Nach den seither an uns gelangten Nachrichten kann ich hinzufügen, daß 
die serbische Antwort auch seitens anderer Kabinette als unbefriedigend 
erachtet wurde. Wir haben es unterlassen, auf die serbische Note sofort 
zu antworten, weil eine umgehende Erwiderung darauf eine Verschärfung 
der Situation zur Folge gehabt hätte, die wir vermeiden wollten. Das 
Ziel unserer Politik ist die Sicherung und Konsolidierung des durch die 
Annexion geschaffenen Zustandes. Wir hegen keine aggressiven Absichten 
und verfolgen keine Prestigepolitik. Serbien hat demnach noch einmal Zeit, 
sich über seine Lage klar zu werden, und uns gegenüber einzulenken. Wir 
ziehen es aber auch aus dem Grunde vor, uns mit der Beantwortun 
der serbischen Note nicht allzusehr zu beeilen, weil wir erfahren haben, daß 
andere Mächte Serbien neuerdings Ratschläge erteilen, denen letzteres dies- 
mal hoffentlich voll Rechnung tragen wird. Wenn wir aber auch, wie aus 
dem Gesagten hervorgeht, fortfahren, Serbien gegenüber die größte Geduld 
an den Tag zu legen, so erfüllen wir doch anderseits eine Pflicht gegen- 
über uns selbst, wenn wir auf die baldige Beendigung des unhaltbaren 
Zustandes an unseren Grenzen mit allem Nachdruck hinwirken. Wir bleiben 
jedoch auch heute unserer bisherigen Methode treu, indem wir Serbien die 
Hand reichen, damit dieses, wenn es zur Erkenntnis seiner Lage kommt, sie 
ergreifen könne. (Lebhafter Beifall.) 
23. März. Die „Politische Korrespondenz“ schreibt über 
Deutschlands Bundestreue: 
„Seit der Stunde, wo Oesterreich--Ungarn die letzten natürlichen 
von ganz Europa vorausgesehenen Konsequenzen seiner in Bosnien und 
der Herzegowina seit Jahrzehnten erworbenen Stellung gezogen hat, trat 
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