Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Die österreichisch= ungerische Monarhie. (Juni 9.—Juli 10.)) 423 
bank mißbilligt und die Garantieverpflichtung des Finanzministeriums für 
die Kmeten-Ablösungs-Darlehen der bosnischen Agrarbank für null und 
nichtig erklärt, wird mit 242 gegen 237 Stimmen abgelehnt. 
9. Juni. (Cisleithanien.) Der tschechische Landsmann- 
minister Zatschek. 
Er tritt wegen des Widerspruches des tschechischen Klubs gegen seine 
Abstimmung in der Frage der bosnischen Agrarbank aus dem Ministerium 
aus. Der Kaiser lehnt das Entlassungsgesuch am 14. Juni ab. 
15. Juni. (Wien.) Der Kaiser empfängt den von einer 
Automobilfahrt nach Ungarn zurückkehrenden Prinzen Heinrich 
von Preußen in besonderer Audienz. 
16. Juni. (Tirol.) Jahrhundertfeier zur Erinnerung an den 
Aufstand des Andreas Hofer. 
16. Juni. (Cisleithanien.) Abgeordnetenhaus. General- 
debatte über das Budget. 
Bemerkenswert waren die Aeußerungen Kramarschs über die Politik 
des Polenklubs, dem er vorwarf, daß er durch sein Zusammengehen mit 
den Deutschen in der Regierungsmehrheit antislawische Politik betreibe. 
Der Obmann des Polenklubs Glombinski wehrte diesen Vorwurf ab, in- 
dem er darauf hinwies, daß im Kabinett zwei tschechische Parteimänner 
säßen. Er verwahrte sich gleichzeitig dagegen, daß sich die Tschechen in 
innere Angelegenheiten des Polenklubs mischten. Die Polen könnten nicht 
mit einer Partei gehen, die nur ein negatives Programm habe. 
5. Juli. Kaiser Franz Joseph eröffnet in Spittal an der 
Drau die Tauernbahn nach Bad Gastein. 
5. Juli. (Ungarn.) Wegen der Schwierigkeit, ein neues 
Ministerium zu bilden, wird die Ministerkrifis bis zum Herbst ver- 
tagt. Das Kabinett Wekerle führt die Geschäfte weiter. 
9. Juli. Der ehemalige Ministerpräsident Graf Kasimir 
Badeni f auf der Fahrt nach Krakau an einem Schlaganfall im 
73. Jahre. 
Das Ministerium Badeni (vom 29. September 1895 bis zum 28. No- 
vember 1897) hat sich durch die berüchtigten Sprachverordnungen für 
Böhmen und Mähren vom 5. April 1897 und die Zurückdrängung des 
deutschen Volksstammes bekannt gemacht. 
10. Juli. (Ungarn.) Abgeordnetenhaus. Zusammenstoß 
zwischen dem Präsidenten Justh und seinen Gegnern. 
Justh erklärte einen Antrag des Rumänen Vlad für angenommen, 
obgleich einem Teile des Hauses die Mehrheit für den Antrag zweifelhaft 
erschien. Er wurde darum von der Verfassungspartei und der Volkspartei 
mit lauten Abzugrufen niedergeschrien; man rief ihm zu, er möge den 
Vorsitz niederlegen, er eigne sich nicht zum Präsidenten, während die An- 
hänger Jusths lärmend für ihn Stellung nahmen. Die Sitzung mußte 
unterbrochen und für geheim erklärt werden. In der geheimen Sitzung 
erneuerten sich die Angriffe gegen Justh, doch legte sich schließlich Wekerle 
ins Mittel, und ihm gelang es, die erregten Gemüter zu beschwichtigen.
	        
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