Hie Kerreichish-z#ungarisege Monarcie. (Dezember 14.—23.) 435
politische Hochstapler, die in Oesterreich an der Spitze der großserbischen
Bewegung stehen. Vor Gericht wurde Supilo überführt, daß er sich habe
Geld dafür zahlen lassen, gegen die Großserben zu schreiben. Der Heraus-
geber der österreichischen Rundschau Dr. Leopold Freiherr von Chlumecky
und Chefredakteur Ritter von Dorotka bezeugten eidlich, daß die Feder
Supilos wiederholt für kleine Summen käuflich gewesen sei, so daß der
Präsident erklärte, Supilo habe sein Ehrenwort gebrochen. Nach dieser
Entlarvung erklärte Abgeordneter Supilo seinen Austritt aus der kroatisch-
serbischen Koalition.
14. Dezember. In Agram finden unter dem Eindruck des
Prozesses Friedjung serbenfeindliche Kundgebungen statt.
15.—19. Dezember. (Wien.) Dauersitzung im Abgeord-
netenhaus.
Sie ist von der Arbeitsmehrheit beschlossen und hält 86 Stunden
an. Namentlich die Tschechen halfen durch 12= und 13stündige Reden
die Zeit ausfüllen. Durch störende Unterbrechungen von der Galerie
ließen sie sich nicht abhalten, die Dringlichkeitsanträge vor leerem Hause
zu besprechen. Endlich taten sich die Parteien zusammen, um die Ge-
schäftsordnung so umzugestalten, daß solche Obstruktion in Zukunft unmög-
lich ist. Der Antrag Weidenhoffer auf Einführung der deutschen Parlaments-
sprache wird abgelehnt.
18. Dezember. (Wien.) Prozeß Friedjung.
Der serbische Sektionschef Spalaikowitsch wird als Zeuge über die
Dokumente Friedjungs und der Reichspost vernommen, die er angeblich
als Beamter des serbischen Ministeriums des Aeußern ausgefertigt habe.
Er bezeichnete diese Dokumente als Fälschungen, was aus der äußern Form,
dem Stil und dem Inhalt hervorgehe. Die gewichtigste seiner Einwendungen
war die, daß in dem Schriftstück Friedjungs, das die Zuwendungen des
serbischen Ministeriums des Aeußern an kroatische Politiker aufzählt und
das vom 4. Juni 1907 datiert ist, der Abschluß und die parlamentarische
Erledigung der letzten serbischen Anleihe als bevorstehend bezeichnet wiro,
während sie Ende 190é6 schon abgeschlossen war, und zwar in einer Höhe
von 90 Millionen Franken, und nicht von 93 Millionen, wie in Fried-
jungs Dokument steht.
22. Dezember. (Wien.) Prozeß Friedjung.
Nimmt ein unerwartet schnelles Ende durch Friedjungs Erklärung:
„Ich habe alle Behauptungen meines Artikels nach gründlicher Prüfung
aufgestellt und bin nur nach gewissenhafter Erwägung zu meiner in dem
Artikel niedergelegten Grundauffassung gelangt. Ich weiß die Beweiskraft
des amtlich bestätigten Aufenthalts des Professors Markowitsch in Berlin
zu würdigen. Ich erkläre darum loyal, daß die beiden Dokumente vom
20. und 21. Oktober 1908 a. St. auszuscheiden sind, und daß ich auch
die übrigen Dokumente nicht mehr in Anspruch nehmen möchte.“ Hierauf
zogen die Anwälte der Kläger die Klage zurück. Sodann verkündete das
Gericht den Freispruch der beiden Angeklagten Friedjung und Ambros.
23. Dezember. (Ungarn.) Der König empfängt in Wien
Geheimrat Lukacs und den Grafen Khuen-Hedervary in Audienz
und beauftragt ersteren mit der Bildung eines Ministeriums.
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