Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Erofßbritannies. (März 23.—29.) 463 
im Schiffbau ungehener entwickelt und noch mehr auf dem Gebiet der 
Ausrüstung dieser Kolosse. Er wolle nicht unnötige Beunruhigung im 
Lande hervorrufen, aber vom nationalen Gesichtspunkt aus dürfe man 
sich nicht länger mit dem Troste begnügen, in der Schnelligkeit des Schiff- 
baues einen Vorteil zu haben, da Deutschland 30 Monate, England 24 Mo- 
nate zur Vollendung eines Schiffes gebrauche. Die Regierung sei darauf 
bedacht, für die sozialen Reformen Geld zu sparen, aber die Summe, die 
im Flottenetat gefordert werde, sei das geringste, was man vom Unter- 
haus verlangen könne. Hierauf wurde die Debatte vertagt. 
23. März. (Unterhaus.) In Beantwortung einer Anfrage 
Mac#e Neills bezüglich des Besuches des Königs Eduard in Reval er- 
klärte der Staatssekretär des Aeußern, Sir Edward Grey, daß in 
Reval keinerlei Besprechung stattgefunden habe, die sich auf die 
verhältnismäßige Stärke der englischen und der deutschen Flotte in 
der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft bezogen habe. 
24.—26. März. (Unterhaus.) Fortsetzung der Flottendebatte. 
Nach einer Rede des oppositionellen Abg. Lee gibt der Par- 
lamentssekretär der Admiralität Mac Namaro einige tatsächliche Angaben 
über das Verhältnis der englischen Flotte zu dem anderer Mächte. Er 
sagt: „Heute hat Großbritannien vier Dreadnoughts vollständig in Dienst 
gestellt, und wir haben Erfahrungen gewonnen, die die Regierung befähigen, 
den Gefechtswert der folgenden Dreadnoughts wesentlich zu erhöhen. Deutsch- 
land wird überdies bis nächsten September nicht einen einzigen Dread- 
nought haben. Es ist nutzlos, so zu sprechen, als ob England überhaupt 
keine Flotte gehabt hätte, bevor es Dreadnoughts hatte. England hat 
vierzig Schlachtschiffe erster Klasse, die noch im Jahre 1912 unter zwanzig 
Jahre alt sein werden. Es sind nicht zwei andere Mächte vorhanden, die 
zusammengenommen rine so ausgezeichnete Reserve besitzen, und kein Land 
hat Kriegeschiffe, die mit denen Großbritanniens vergleichbar sind. Groß- 
britannien hat auch eine Flotte von fünfundoierzig Panzerkreuzern, und 
keine Zwei-Mächte-Komvbination kann eine solche Flotte in See setzen.“ 
29. März. (Unterhaus.) Der Abg. Lee beantragt ein 
Tadelsvotum gegen die Regierung wegen ungenügender Erweiterung 
des englischen Flottenprogramms. Bei der Beantwortung geht der 
Staatssekretär Grey auf die diplomatischen Beziehungen Englands 
zu Deutschland ein: 
Die Konferenz von Algeciras war beschlossen und nahm ihren Ver- 
lauf. Während dieser Zeit bestand zwischen uns und Deutsch and wegen 
diplomatischer Verwickelungen, die alle Welt kennt, eine Periode diploma- 
tischer Spannung. Mit Schluß der Konferenz aber hatten wir nur noch 
über Fragen zu verhandeln, die uns direkt betrafen. Die Tatsache allein, 
daß die diplomatischen Beziehungen fortlaufend glatte waren, bedeutet, 
daß sie sich im Laufe der Zeit besserten Dann kam der Besuch des 
deutschen Kaisers in London, ein Besuch, in jeder Beziehung be- 
friedigend und gut aufgenommen. (Beifall.) Soweit es sich um diplo- 
matische Beziehungen handelte, hat sich, seit die gegenwärtige Regierung 
im Amte ist, ein ruhiger Fortschritt in der Besserung gezeigt, bis hin zu 
dem Besuch des Königs in Berlin. Solange die Möglichkeit vor- 
handen war, daß die marokkanische Schranke, die in Algeciras bestand,
	        
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