Erbritannien. (Mai 27.—Juni 10.) 471
Nach einer Rede des Ersten Lords der Admiralität Mac Kenna wurde
der Beschlußantrag Craigh (Prinzipienerklärung für den Zweimächtestand
mit zehnprozentigem Ueberschuß) mit 270 gegen 114 Stimmen abgelehnt
und der Antrag Collins mit 272 gegen 106 Stimmen angenommen.
Nachdem schließlich alle Budgetbeschlüsse angenommen worden waren, brachte
der Schatzkanzler Lloyd George das Finanzgesetz förmlich ein.
27. Mai. (Unterhaus.) Kongofrage.
Der Staatssekretär Sir Edward Grey erklärt in Bezug auf die
Kongofrage, daß sie sich, falsch angefaßt, zu einer europäischen Frage ent-
rollen könnte; im Vergleich dazu sei die Behandlung der Angelegenheit
in den letzten Monaten ein Kinderspiel gewesen. Bennet (lib.) habe eine
„friedliche Blockade“ des Kongos angeregt, es sei unnütz, von einer solchen
zu reden, denn bei einer Blockade müsse man Gewalt anwenden, und
wenn man zu einer Blockade schreite, müsse man auf einen Krieg gefaßt
sein. Der Kongostrom sei nicht das Eigentum des Kongostaates oder der
belgischen Regierung, sondern unterliege einem internationalen Abkommen
und müsse für die Schiffahrt offen stehen. Um ihn mit Erfolg zu blockieren,
müßte England bereit sein, alle Schiffe anzuhalten, und wenn man sich
zu solchen Schritten entschlösse, müsse man damit rechnen, eine europäische
Frage allerschwerster Art aufzurühren.
5. Juni. (London.) Festmahl zu Ehren der aus den Kolonien
„zum Pressetag des Britischen Reiches“ gekommenen Journalisten.
Lord Rosebery hält eine Rede, worin er die Bedeutung der
Presse hervorhebt und alsdann über den bevorstehenden Besuch der Ver-
treter in Spithead ausführt, sie würden dort etwas sehen, was unver-
gänglich in der Welt dastehe, eine gewaltige, aber immer noch unzu-
längliche Armada. Er glaube, die beste Benutzung dieser Armada sei
die für die Zwecke des Friedens, nicht für die des Krieges. Der Redner
sagte: „Wir können und werden Dreadnoughts bauen, solange wir einen
Schilling zu ihren Kosten und einen Mann für ihre Besatzung haben“,
und bittet die Vertreter, die Kunde hinauszutragen, daß auf jedem Mann
im Reiche die Verantwortung lastet, und den Bewohnern der Kolonien zu
sagen, wie Europa in Waffen starre und wie groß der Druck auf die kleine
Insel Großbritannien sei. Er kann einer solchen Lage in Europa sich nicht
erinnern: so friedlich in mancher Beziehung und so bedrohlich in anderer,
trotz des Fehlens irgendeiner Frage, die gewöhnlich zum Kriege führe.
Aber die bedrohlichen, überwältigenden Kriegsrüstungen, wie sie in der
Weltgeschichte noch nicht dagewesen, seien ein bedenkliches Zeichen. Er hat
das Vertrauen, daß die britische Macht jeder denkbaren Verbindung anderer
Mächte die Spitze zu bieten vermöge, aber mit Unbehagen sehe er dies rasche
Emporwachsen von Flotten. Für das schließliche Ergebnis möchte er gern
wissen, ob es Europa die Barbarei bringen werde. England muß stets
darauf rechnen, sich selbst retten zu können, aber wenn man es ermatten
sollte, habe es einen Rückhalt an seinen Kolonien.
Anfang Juni. (London.) 7. internationaler Kongreß für
angewandte Chemie.
Die Forderung gelangt zur Annahme: „Die Herstellung des Pa-
tentes in einem Unionsstaat schützt das Patent gegen dessen Verfall in
allen Staaten, die der internationalen Union angehören.“
10. Juni. Im Unterhaus wird die Finanzvorlage mit 366
gegen 209 Stimmen in zweiter Lesung angenommen.