Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Iranlteiq. (Juli 12. -20.) 507 
gerecht gewesen sei, deren Ueberzeugung er nicht habe teilen können. Er 
habe sich aber auf die Höhe seiner neuen Pflicht gestellt und sich ihr ganz 
hingegeben für die Sache der Freiheit, der Gerechtigkeit und der Unglück- 
lichen, deren Sache Jaures und seine Freunde schlecht führten; dazu aber 
gehöre: dem Volke die Wahrheit über es selbst zu sagen, es zurückzuhalten 
in seinen Regungen nach gewalttätiger Befreiung. Für solche Arbeit gebe 
es keinen Lohn; aber es genüge ihm die Gewißheit, Frankreich und der 
Republik zu dienen. Die Mehrheit könne mit erhobener Stirn vor das 
Volk hintreten. Es werde sie nicht verleugnen können, ohne den schönsten 
#en geimer eigenen ruhmreichen Geschichte zu verleugnen. (Anhaltender 
eifall.) 
12. Juli. Der Senat setzt die Beratung über die Neu- 
organisation der Artillerie fort. 
Das Gegenprojekt des Generals Langlois, das die Batterie auf 
sechs Geschütze bringen will und das von der Regierung bekämpft wird, 
wird mit 221 gegen 73 Stimmen abgelehnt. Pichon, Senator für Fini- 
stere, bekämpft den Kommissionsvorschlag, der ebenso wie die Regierungs- 
vorlage Batterien zu vier Geschützen vorsieht, aber zwei Regimenter für 
das Armeekorps statt drei schaffen will. Waddington als Berichterstatter 
verteidigt den Kommissionsentwurf, der eine wesentliche Ersparnis bedeuten 
würde. Der Kriegsminister General Picquart betont die Notwendigkeit des 
dritten Regiments im Hinblick auf die Verhältnisse des Kriegs; die Kosten 
würden annähernd dieselben sein und das Land sollte um diesen Preis 
sich selbst die Sicherheit garantieren. Der Senat beschließt die Schaffung 
von elf Fußartillerieregimentern, d. h. zwei auf das Armeekorps, entspre- 
chend dem Vorschlag der Kommission. Nachdem der gesamte Entwurf an- 
genommen ist, wird die Sitzung aufgehoben. 
13. Juli. Der Senat genehmigt das Telegraphenabkommen 
zwischen Frankreich und Deutschland vom 2. Juni 1908. 
15. Juli. In der Kammer antwortet die Regierung auf 
einen Antrag von Jaures, dem Dasein und der Amtstätigkeit der 
russischen Geheimpolizei in Frankreich ein Ende zu machen: „Das 
ist bereits geschehen.“ 
17. Juli. Die Kammer nimmt mit 495 gegen 14 Stimmen 
einen Antrag an, der die Auslegung von Listen verlangt, worin 
sich die Abgeordneten in jeder Sitzung einzutragen haben. Die 
Listen sollen im Amtsblatt abgedruckt werden. 
20. Juli. Sturz des Ministeriums Clemernceau. 
Bei der Fortsetzung der Debatte über die Marinereform kritisierte 
der Marineminister Picard in einer längern Rede das Werk des Aus- 
schusses, indem er einiges zugab, Reformen in Aussicht stellte und im 
ganzen leugnete, daß der Zustand der Marine so verzweifelt sei wie man 
bahaupte. Man habe Fehler gemacht und Schiffe auf die Hellingen gelegt, 
deren Bauart noch nicht festgestanden habe; man werde künftig auch schneller 
bauen und die Panzerschiffe in drei Jahren statt in fünf vollenden müssen; 
die innere Verwaltung der Marine werde neugestaltet, die dienstlichen 
Beratungen vermehrt werden. Mehr Einheit bei den Arbeiten sei nötig. 
Nach dem Minister nahm Delcassé als Vorsitzender des Ausschusses den
	        
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