Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

514 Eraukreitt. (September 25.—Oktober 10.) 
der Algecirasakte die gemischte französisch-spanische Polizei in Tanger 
überhaupt nur fünf Jahre bestehen soll. 
25. September. Der Lenkballon „La République“ stürzt 
zwischen Trévol und Villeneuve aus 100 Meter Höhe herab. Seine 
vier Insassen finden den Tod. 
28. September. Kampf der Bischöfe gegen die unkonfessio- 
nelle Schule. 
Sämtliche Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe von Frankreich haben 
einen Hirtenbrief erlassen, worin sie die katholischen Eltern dringend auf- 
fordern, ihre Kinder nicht in die neutralen öffentlichen Schulen zu schicken, 
sondern nur in christliche Schulen. Ferner verbietet der Hirtenbrief eine 
Anzahl von Lehrbüchern, die in den öffentlichen Schulen von Frankreich 
gebraucht werden. 
29. September bis 1. Oktober. (Nancy.) Internationale 
Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz. 
Es wird eine Resolution gefaßt, daß der Ausübungszwang eines 
Patentes aus den internationalen Beziehungen verschwinden möchte. Die 
Resolution ist im Hinblick auf das englische Patentgesetz vom 27. August 
1907 verfaßt. 
6. Oktober. General d'Amade über Spaniens Aktion in 
Marokko. 
Der auf Urlaub zurückgekehrte frühere Befehlshaber der französischen 
Okkupationsarmee von Casablanca, General d'Amade, erklärt einem Bericht- 
erstatter des „Matin“, daß das spanische Unternehmen in Marokko für 
Frankreich eine überaus gefahrvolle Lage schaffe und nicht länger fort- 
dauern dürfe. Der Einfluß Frankreichs in Algerien. vielleicht sogar die 
Ruhe, hingen davon ab. Algerien habe auch nach dem Mittelmeer zu die 
höchste Entwickelung erreicht, seine Zukunft sei nach dem Atlantischen Ozean 
gerichtet, und zwar vermittelst des Landweges von Uschda über Taza und 
Fez nach Rabat. Wenn Frankreich sein Ansehen und seine Handelsinter- 
essen nicht preisgeben wolle, dürfe es Taza nicht in die Hände der Spanier 
fallen lassen. Dies würde für Frankreich ein marokkanisches Faschoda be- 
deuten. Selbst wenn die Spanier gegenwärtig nicht die Absicht hätten, 
Taza zu erreichen, würden sie die militärische und politische Notwendigkeit 
sowie der von so starken Truppenmassen ausgeübte natürliche Druck dazu 
führen, der sie übrigens bereits veranlaßt habe, Nador zu besetzen. Die 
Spanier hätten nicht solches Truppenaufgebot wegen einer polizeilichen 
Maßnahme bloß Melillas halber nach Marokko geschickt. Die Erfolge 
hätten in Spanien ein Wiedererwachen der Militärpartei zur Folge gehabt. 
Der König selbst habe aus dem Wunsche, in Marokko Ersatz für das ver- 
lorene Kolonialreich zu suchen, niemals ein Hehl gemacht. Spanien ge- 
horche dabei übrigens auch dem Einfluß des Vatikans, da Marokko nach 
den Anschauungen der Propaganda ein spanisch-apostolisches Vikariat bilde. 
Während des Schaujafeldzuges seien die französischen Geistlichen und 
Missionare auf Befehl Roms durch spanische Priester ersetzt worden. 
Frankreich müsse in kürzester Frist einschreiten, wenn es seine wirtschaft- 
lichen und politischen Interessen in Afrika retten wolle. 
Der General wird vom Kriegsminister zur Disposition gestellt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.