Frankreic. Dezember 26. 27.) 519
aus über das französisch-deutsche Einvernehmen und über die Abkommen
Englands mit Frankreich, Italien und Rußland.
26. Dezember. Furcht vor orleanistischen Umtrieben bei Ge-
legenheit des Ausstandes der Elektriker.
Da zu gleicher Zeit ein orleanistisches Komplott geargwohnt und
von dem Sekretär des Syndikats der Elektrizitätsarbeiter Herrn Patand
ein Ausstand angedroht wird, werden umfassende Polizeimaßregeln ge-
troffen. Alle in Paxis eintreffenden Automobile werden an den Octroi-
toren angehalten und untersucht, ob nicht der Thronprätendent Philipp,
Herzog von Orléans, aus Belgien herübergekommen sei.
27. Dezember. In der Kammer äußert sich der Minister des
Auswärtigen Pichon über die Ententen und Bündnifse Frankreichs,
über das deutsch-französische Marokkoabkommen und über Frankreichs
Balkanpolitik.
Frankreich leiste, indem es seine Verteidigungsmittel vermehre, der
Erhaltung des Friedens einen dauernden und nütlichen Dienst. Frank-
reich habe seinem Bündnis mit Rußland Ententen und Freundschafts-
bündnisse hinzugefügt, durch die sein Ansehen sich vermehrt hat. Frank-
reich bediene sich dieser moralischen Kraft nur, um auf die Eintracht unter
den Völkern hinzuarbeiten, die den Wunsch hätten, daß man sie nicht
mehr in Abenteuer stürze, ohne daß sie vorher befragt wären. Nachdem
Pichon dann dem Werke der Haager Friedenskonferenz Anerkennung ge-
zollt hat, erklärt er, die französischen Beziehungen seien erfüllt von Freund-
schaft zu allen Regierungen. Paris und Petersburg seien niemals enger
miteinander verbunden gewesen. Der Minister erinnert an die zwischen
dem Kaiser von Rußland und dem Präsidenten der französischen Republik
sowie zwischen den französischen und russischen Ministern ausgetauschten
Besuche. Die englisch-russische Annäherung sei ein Faktor von größter
Wirksamkeit: die äußerst herzliche Entente Frankreichs mit England und
das Einverständnis zwischen Rußland und Italien habe sich ebenfalls durch
die Begegnung der Staatsoberhäupter kundgegeben. Pichon stellte sodann
fest, daß die Schwierigkeiten mit Deutschland bezüglich Marokkos beseitigt
seien. Das deutsch-französische Abkommen, das für beide Teile loyal und
zweckentsprechend sei, habe ein sofortiges Nachlassen der Spannung zwischen
beiden Völkern und seine Besserung der diplomatischen Lage in Europa
zur Folge gehabt. Dieses Abkommen erstreckt sich jedoch nur auf die ma-
rokkanische Frage, es sei falsch, wenn man sage, daß es auch auf die Bagdad-
eisenbahn oder auf die österreichische Frage Bezug habe. Die Marokko-
frage sei für Europa keine Ursache zur Beunruhigung mehr, was allerdings
nicht heißen solle, daß es in Marokko keine Schwierigkeiten mehr geben
werde. „Ich wünsche das letztere zwar,“ sagt der Redner, „wage aber
nicht, es zu versichern. Mittlerweile haben wir die kürzlich aufgetauchten
Schwierigkeiten beseitigt, und ich habe mich mit den marokkanischen Ge-
sandten über die an dieser Stelle auseinandergesetzten Bedingungen geeinigt."“
Zu der Lage auf dem Balkan übergehend, legt Pichon dar, daß sich die
Annexion Bosniens und die Unabhängigkeitserklärung Bulgariens ohne
kriegerische Verwicklungen vollzogen hätten. Anzuerkennen sei, daß Ruß-
land zwischen der Türkei und Bulgarien vermittelt habe, die französische
Politik der Erhaltung des Friedens sei durch den Stand der Beziehungen
Frankreichs zu Oesterreich-Ungarn in hohem Grade erleichtert worden,
und so habe man ernstliche Schwierigkeiten friedlich beilegen können. Pichon