Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

522 Italien. (Februar 28. — März 27.) 
erzwungen oder unfrei erschienen. Sie müssen einen positiven Inhalt 
haben von verwandten Anschauungen über die wichtigsten Fragen gemein- 
samen Interesses und von gegenseitiger Bürgschaft gegenüber bestimmten 
Zielen, auf die es die beiden Vertragschließenden besonders absehen. Die 
Staatskunst besteht eben darin, den Gleichgewichts- und Verständigungspunkt 
zwischen den verschiedenen gegenteiligen Bestrebungen und mannigfachen 
Nebenbuhlerschaften zweier Völker zu suchen und zu finden, wodurch das 
Bündnis und die wechselseitige Unterstützung für beide offenkundig nutz- 
bringend wird, und überdies das sicherste und dauerhafteste Unterpfand 
für gegenseitige Herzlichkeit und Freundschaft gebildet wird. Italien könnte, 
auch wenn es die Politik der strengsten Sammlung befolgen wollte, nie- 
mals aufhören, sich für alle Fragen zu interessieren, die irgendwie das 
Gleichgewicht der Kräfte im Mittelmeerbecken berühren; daher wird es 
immer mehr wünschenswert für die Lebensfähigkeit und Aufrichtigkeit 
seiner Bündnisse, daß der Bündnisvertrag auch die Fragen dieser Art in 
Betracht ziehe, indem er die Erhaltung der gegenwärtigen Lage verbürgt. 
W. Februar. Der frühere (und spätere) Minister des Außern 
Guicciardini hielt vor seinen Wählern in San Miniato eine 
Rede, worin er erklärte, daß er den Dreibund für die große Bürg- 
schaft des Friedens und also auch für einen großen Faktor des 
Fortschritts erachte. 
7. März. Bei den Wahlen trägt die Regierung einen ent- 
schiedenen Sieg davon. 
Es wurden 209 Ministerielle wiedergewählt und 67 neugewählt; 
konstitutionelle Opposition 42 wiedergewählt, 2 neugewählt; Radikale 24 
wiedergewählt, 12 neugewählt; Republikaner 12 wiedergewählt, 5 neu- 
gewählt; Sozialisten 18 wiedergewählt, 12 neugewählt; Katholiken 5 wieder- 
gewählt, 11 neugewählt. Es finden 72 Stichwahlen statt. In 13 Wahl- 
bezirken wird das Ergebnis der Wahl von der Wahlprüfungskommission 
der Kammer entschieden werden. Aus vier Wahlbezirken stehen die end- 
gültigen Wahlergebnisse noch aus. An den Stichwahlen sind 144 Kandi- 
daten beteiligt; davon 68 Ministerielle, 8 konstitutionelle Opposition, 25 Radi- 
kale, 28 Sozialisten, 5 Katholiken, 8 Republikaner, 2 Christlichsoziale. 
Nach den Stichwahlen ist das Endresultat: Ministerielle 330, kon- 
stitutionelle Opposition 40, Radikale 34, Republikaner 24, Sozialisten 41, 
Christlichsoziale 2. 
15. März. Zur Beilegung des österreichisch-serbischen 
Streites schlägt die italienische Regierung eine Konferenz vor, um 
die vollzogenen Tatsachen zu registrieren, die Anderungen an dem 
Berliner Vertrag zu legalisieren und alle weiteren serbischen An- 
sprüche als nicht zur Zuständigkeit der Konferenz gehörig abzulehnen. 
27. März. Eröffnung der 23. Legislaturperiode des 
Parlaments durch den König. 
Die Thronrede betont den Wunsch nach Herstellung des sozialen 
Friedens und verspricht Vorlagen zur Aufforstung der Berge, zur Rege- 
lung der Wasserläufe, zur Vereinfachung und Beschleunigung des Gerichts- 
verfahrens und zur nachdrücklicheren Pflege des Unterrichtswesens.
	        
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