Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Ilelien. (Dezember 20.) 531 
bündeten Mächten waren nie so vertrauensvoll wie in letzter Zeit. Der 
Dreibund bedeutet nach wie vor nicht allein einen mächtigen Faktor im 
Dienste des Friedens, sondern auch eine Garantie unserer Interessen. Den 
schon lange Zeit bestehenden Freundschaftsbeziehungen zu England und 
Frankreich fügen sich die aus der italienisch-russischen Annäherung hervor- 
gegangenen an, die in der jüngsten Unterhaltung des Königs mit dem 
Kaiser von Rußland ihren Ausdruck fanden. Der herzliche Meinungs- 
austausch, den diese Freundschaftsbeziehungen gestatten, — während sie in 
keiner Weise mit den Bündnisverträgen in Widerspruch stehen — begünstigt 
deren Zwecke und stellt eine neue Friedensbürgschaft dar. Das ständige 
Ziel unserer Politik ist der Friede, in dem gleichzeitig mit der Sicherheit 
des Landes dessen hohe moralische und wirtschaftliche Interessen ihren Schutz 
finden. Wir sind überzeugt, daß wir dieses Ziel verfolgen, indem wir die 
Richtung unserer auswärtigen Politik unverändert beibehalten. 
Das Programm der Regierung, so fuhr der Minister fort, bezwecke 
eine wirksame Reformtätigkeit mit dem Ziele des sozialen Friedens, indem 
es alles begünstige, was den Kulturzustand des Landes fördern könne. Die 
Regierung werde immer die Staatssouveränität in den rechtlichen Be- 
ziehungen zwischen den Bürgern hochhalten: auf wirtschaftlichem und zivil- 
rechtlichem Gebiete, wie auf dem Gebiete des Familienrechts, unter pein- 
licher Wahrung der Gewissensfreiheit und der Freiheit des Gedankens, 
soweit deren Aeußerung kein fremdes Recht verletze und die öffentliche Ord- 
nung nicht störe. Der Minister schließt, indem er die Kammer auffordert, 
das Ministerium nach seinen Leistungen zu beurteilen. Er ersuchte sodann 
darum, den Gesetzentwurf über die Reorganisation der Ministerien an die 
Budgetkommission zu verweisen. 
Im Senat gibt der Ministerpräsident Sonnino eine gleichlautende 
Erklärung ab. 
20. Dezember. (Kammer.) In der Debatte über die ministerielle 
Erklärung führt Ministerpräsident Sonnino in Beantwortung ver- 
schiedener Reden aus: 
Ueber die Lösung der Krise habe er geglaubt sich an die bedeutendsten 
Mitglieder der verschiedenen Gruppen der großen konstitutionellen liberalen 
Partei wenden zu sollen, um ihre Mitwirkung beim Reformwerke zu er- 
bitten. Er versichere, daß er beim Studium der Reformen niemals die 
Leistungsfähigkeit und die solide Grundlage des Budgets aus den Augen 
verlieren werde. (Beifall.) Das Parlament und das Land könnten in einigen 
Wochen die Vorlegung konkreter Gesetzentwürfe erwarten. Auf die Frage, 
ob das Ministerium die Majorität besitze, erwiderte der Minister, er habe 
das Vertrauen zu der Weisheit und dem Patriotismus der Kammer, daß, 
wenn die Rierungsentwürfe dem Lande Gewinn brächten, sie auch zweifel- 
los die Billigung des Parlaments finden würden. Für den Augepblick 
bitte die Regierung nur um ein kurzes wohlwollendes Abwarten. (Leb- 
hafter Beifall.) Hierauf wird die Debatte geschlossen und das provisorische 
Budget mit 224 gegen 65 Stimmen angenommen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.