Niederlande. (April 20.— Mai 22.) 545
20. April. Das von Holland und Venezuela unterzeichnete
Protokoll über die Beilegung der Streitfragen zwischen den beiden
Ländern wird veröffentlicht.
Die niederländische Regierung verpflichtet sich die zwei noch in
ihrem Besitz befindlichen venezuelanischen Küstenschiffe herauszugeben. Ueber
die etwaige Fortdauer des 30prozentigen Zollzuschlages auf alle aus den
Antillen kommenden Waren enthält das Protokoll nichts.
30. April. Im Haag wird eine Thronerbin geboren.
Eine von der Königin persönlich diktierte Note über die Namen der
neugeborenen Prinzessin lautet: „Prinzessin Juliana, Ihre Königliche Hoheit
Juliana, Luise, Emma, Marie, Wilhelmina, Prinzessin von Oranien-Nassau,
Herzogin zu Mecklenburg usw. ist heute in die Bevölkerungslisten ein-
geschrieben worden. Aus diesen Namen geht hervor, daß die junge Prin-
zessin genannt ist nach ihren beiden Großmüttern Ihrer Majestät der Kö-
nigin-Mutter und Ihrer Königlichen Hoheit der Großherzogin Marie von
Mecklenburg und nach ihrer Mutter. Es war die Absicht des Königlichen
Elternpaares, durch Hinzufügung des Namens Luise, zu Ehren der Luise
v. Coligny, das Gedächtnis der Gemahlin Wilhelms des Schweigers zu
ehren. Außerdem wird die Prinzessin als Rufnamen den Namen Juliana
tragen zu Ehren der hochstehenden und vortrefflichen Mutter der Stamm-
väter beider Zweige des Hauses Oranien-Nassau, Gräfin Juliana von Nassau
geborene Gräfin von Stolberg.“
Sowohl die 32 nächsten Ahnen des Vaters, des Prinzen Heinrich
zu Mecklenburg, wie die der Mutter, Königin Wilhelmine, sind mit einer
einzigen Ausnahme sämtlich deutschen Fürsten= oder Adelsgeschlechtern ent-
sprossen. Der einzige ausländische Name in der Ahnenreihe ist der der
Großfürstin Anna Petrowna, Tochter Peters des Großen.
1. Mai. An Stelle der westeuropäischen Zeit wird als ge-
setzliche Zeit wieder die Amsterdamer Sonnenzeit eingeführt.
Die Amsterdamer Zeit geht der westeuropäischen Zeit 20 Minuten
voraus und der mitteleuropäischen Zeit 40 Minuten nach.
22. Mai. (Haag.) Der am 1. Mai zusammengetretene
Schiedsgerichtshof über die Casablanca-Angelegenheift fällt
folgendes Urteil:
Zu Unrecht sowie mittels eines schweren und offensichtlichen Ver-
sehens hat der Sekretär des kaiserlich deutschen Konsulats in Casablanca
den Versuch gemacht, Deserteure der französischen Fremdenlegion, die nicht
die deutsche Reichsangehörigkeit besaßen, auf einem deutschen Dampfer ein-
uschiffen. Der deutsche Konsul und die andern Angestellten des Konsulats
snd hierfür nicht verantwortlich, jedoch hat der Konsul durch Unterzeichnung
des ihm vorgelegten Geleitscheins ein nicht beabsichtigtes Versehen begangen.
Das deutsche Konsulat hatte unter den vorliegenden Umständen nicht das
Recht, den Deserteuren deutscher Reichsangehörigkeit seinen Schutz zu ge-
währen, doch kann der in dieser Hinsicht von den deutschen Konsularbeamten
begangene Rechtsirrtum ihnen weder als beabsichtigtes noch als unbeab-
sichtigtes Versehen zugerechnet werden. Zu Unrecht haben die französischen
Militärbehörden den im Namen des deutschen Konsulats über die Deser-
teure ausgeübten tatsächlichen Schutz nicht soweit irgend möglich respektiert.
Selbst abgesehen von der Verpflichtung, den konsularischen Schutz zu respek-
tieren, berechtigten die Umstände die französischen Militärpersonen weder
Europäischer Geschichtskalender! L. 35