Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Tũrkei. (Februar 26.) 581 
nier und die gegenwärtig in Bosnien weilenden Türken behalten die otto- 
manische Nationalität. Die Bosnier können auch weiterhin nach der Türkei 
auswandern, sie werden dort als türkische Untertanen ausgenommen, können 
vollkommen unbeschränkt über ihr unbewegliches Eigentum in Bosnien ver- 
fügen, es selbst verwalten oder verpachten. Die vorübergehend in der Türkeie 
sich aufhaltenden Bosnier werden wie andere österreichisch-ungarische Staats- 
angehörige behandelt. 
Artikel 4 sichert den dauernd oder vorübergehend in Bosnien sich 
aufhaltenden Mohammedanern Freiheit in der äußern Ausübung des Kultus 
wie bisher zu. Die Mohammedaner werden nach wie vor die gleichen 
bürgerlichen und politischen Rechte besitzen wie alle anderen Bekenntnisse. 
Der Name des Sultans als Khalifen wird auch weiterhin in den öffent- 
lichen Gebeten der Mohammedaner genannt. Die Rechte der frommen 
Stiftungen, das heißt der Wakufs, werden wie bisher geachtet und den 
Beziehungen der Mohammedaner zu den kirchlichen Oberhäuptern keine 
Hindernisse in den Weg gelegt. Die kirchlichen Oberhäupter bleiben dem 
Scheich ül Islam in Konstantinopel untergeordnet. 
Artikel 5 besagt: Da die schiedsgerichtliche Entscheidung feststellte, 
daß der türkische Staat nach dem türkischen Gesetze über den Grundbesitz 
in Bosnien und der Herzegowina verschiedenartiges, unbewegliches Eigen- 
tum besaß, verpflichtet sich die österreichisch-ungarische Regierung, binnen 
15 Tagen nach Ratifizierung des Protokolls der ottomanischen Regierung 
in Konstantinopel den Betrag von 2⅛½ Millionen türkische Pfund in Gold 
als Gegenwert dieser unbeweglichen Güter auszubezahlen. 
In Artikel 6 heißt es: Oesterreich-Ungarn verpflichtet sich, binnen 
zwei Jahren nach Ratifikation des Protokolls auf Grund des europäischen 
Bölkerrechtes mit der Türkei einen Handelsvertrag abzuschließen, der in 
Kraft tritt, wenn die andern Handelsverträge der Pforte abgeschlossen und 
auf derselben Grundlage in Kraft getreten sein werden. Inzwischen stimmt 
Oesterreich--Ungarn zu: 1. der Erhöhung der türkischen Wertzölle von 11 
auf 15 Prozent nach Ablauf von 15 Tagen nach Ratifikation des gegen- 
wärtigen Aktes, 2,. der Einführung neuer Monopole oder zur Erhebung 
von Konsumabgaben auf Petroleum, Zigarettenpapier, Zündhölzchen, Al- 
kohol und Spielkarten, alles dies unter der Voraussetzung, daß dieselbe 
Behandlung gleichzeitig und ohne Unterschied auf die Einfuhr der andern 
Länder angewandt wird. Soweit es sich um die Einfuhr von Monopol- 
artikeln handelt, wird die Verwaltung dieser Monopole gehalten sein, Ar- 
tikel österreichischer und ungarischer Herkunft nach dem Prozentsatze der 
Jahreseinfuhr dieser Artikel zu beziehen. Falls die Türkei anstatt der 
Einführung von Monopolen die Einhebung von Konsumabgaben auf jene 
Artikel beschließen sollte, werden diese Konsumabgaben in gleicher Höhe 
von den gleichartigen türkischen Erzeugnissen und jenen anderer Staaten 
eingehoben. 
Artikel 7 besagt: Indem die österreichisch-ungarische Regierung das 
Soheusrech der Pforte bezüglich des Postdienstes anerkennt, verpflichtet 
ie sich, nach Ratifikation des Protokolls diejenigen österreichischen Post- 
ämter aufzuheben, die gegenwärtig in Orten bestehen, wo keine andern 
ausländischen Postämter vorhanden sind, sowie die übrigen österreichischen 
Postämter in der Türkei aufzuheben, sobald die andern Mächte, die in 
der Türkei Postämter besitzen, das gleiche tun. 
Artikel 8 lautet: Da die Pforte beabsichtigt, mit den beteiligten 
Großmächten zur Ersetzung der Kapitulation mit der Türkei durch das 
internationale Recht Verhandlungen zu eröffnen, erklärt Oestereich--Ungarn 
in Anerkennung der Berechtigung dieser Absichten der Pforte sich schon 
  
 
	        
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