Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

584 Tãrkei. (April 14.—19.) 
anderen Kasernen und von der Jildisbesatzung erhalten sie Verstärkungen. 
Sie nehmen um das Parlamentsgebäude und der Hagia Sophia Stellung 
und fordern die Studenten der Theologie auf, sich ihnen anzuschließen. 
Ein Zug Ulemas, die laut Gebete hersagen, stellt sich bei ihnen ein. Es 
stellt sich heraus, daß es eine dem Sultan erwünschte alttürkische Reaktion 
gegen die jungtürkische Regierung ist. Der Sultan sendet um 4 Uhr nach- 
mittags seinen ersten Sekretär in die Kammer, um das kaiserliche Irade 
u verlesen, in dem er die Demission des Kabinetts annimmt und die Be- 
solgung des heiligen Scheriatgesetzes verkündet. 
Zum neuen Großwesir wird Tewfik Pascha, Botschafter in London, 
ernannt, Kriegsminister wird Marschall Edhem Pascha, Minister des Aus- 
wärtigen Rifaat Pascha. Die Truppen sperren die Straßen zum Parla- 
mentsplatz ab und errichten Barrikaden. Einige Offiziere, die sich den 
Meuterern entgegenstellen, der Justizminister und einige Abgeordnete (im 
ganzen 20 Personen), werden getötet. Biele Jungtürken flüchten. Mehr 
und mehr stellt sich die Menterei als ein Reaktionsversuch des mohamme- 
danischen Komitees im Einverständnis mit dem Sultan gegen das jung- 
türkische Komitee für Einheit und Fortschritt heraus. 
14. April. Die Meuterer setzen eine Proskriptionsliste 
auf, auf der sich 100 Militär= und einige Zivilpersonen befinden, 
darunter auch der abgetretene Großwesir Hüfsein Hilmi Pascha. 
15. April. Das Parlament hält eine schwach besuchte Sitzung 
ab. Den letzten Ereignissen wird zugestimmt und den Soldaten 
Anerkennung ausgesprochen. 
Von dem jungtürkischen Komitee in Janissa geht dem Parlament 
eine Erklärung zu, daß der Kabinettswechsel verfassungswidrig war und 
daß ein Anmarsch auf Konstantinopel stattfinden würde, wenn das Kabinett 
nicht wiedereingesetzt würde. 
Vor den Augen des Sultans wird der Kommandant eines Kreuzers 
an einen Baum gebunden und mit Bajonetten erstochen. 
15. April. In Merfina in Cilicien nehmen die Mohammedaner 
für die Ermordung zweier Muselmänner durch Armenier furchtbare 
Rache. Das Gemetzel greift nach Adana und Tarsus über. Die 
Zahl der Opfer wird auf 15000 geschätzt. 
17. April. Nachdem in der Nacht 16 Offiziere der Kriegs- 
schule und über 200 andere jungtürkische Offiziere ermordet worden 
waren, wird in der Frühe der Generalinspektor der Kavallerie 
Izzet Fuad Pascha in seinem Konak umgebracht. 
Von Saloniki und Adrianopel aus werden in 4 Militärzügen 
2600 Mann nach Tschataldscha, einer kleinen Stadt 71 Kilometer von 
Konstantinopel, transportiert. Zwei Kommissionen, die der Sultan an sie 
sendet, werden zurückgewiesen. Der aus Berlin herbeigeeilte Militärattachs 
Major Enver Bei ist der Leiter des konzentrischen Anmarsches auf Kon- 
stantinopel. 
19. April. Der Oberstkommandierende der auf Konstantinopel 
marschierenden jungtürkischen Armee, General Hussein Husni, er- 
läßt folgende Proklamation:
	        
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