Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

610 Balgarien. (Juni 26.) 
endgültig auf 40 Jahreszahlungen der nach dem Vertrage vom 27. Januar, 
8. Februar 1879 und dem Abkommen vom 2./14. Mai 1882 Rußland noch 
schuldigen 74 Jahreszahlungen der Kriegsentschädigung. Da die Türkische 
Regierung alle Jahreszahlungen auf diese Schuld bis zum 31. Dezember 
1908 geregelt hat, so rechnet der Verzicht vom 1. Januar 1909. 
2. Bis zum 1. Juli d. J. hat die Türkische Regierung das Recht, 
die über die 40 Jahreszahlungen hinaus verbleibenden 34 zu kapitalisieren, 
wobei eine Berechnung von 4 Prozent zugrunde gelegt werden soll. Falls 
die Türkei, von diesem Rechte bis zum nächsten 1. Juli keinen Gebrauch 
macht, wird sie nach Ablauf von 40 Jahren wieder dazu berechtigt sein. 
Die Kapitalisation wird dann zu einem durch beide Regierungen fest- 
zusetzenden Kurs geschehen. 
3. Der Betrag von 5½ Millionen türkischen Pfund gleich 125 
Millionen Franken stellt dar: mit 40 Millionen Franken den Ostrumelischen 
Tribut, mit 40 andern Millionen Franken die 310 Kilometer der in Ost- 
rumelien gelegenen Strecke der Orientbahn, die von Bulgarien beschlag- 
nahmt ist, mit 2 Millionen Franken den Wert und die Pacht der Linie 
Belowa-Wakarel und mit 43 Millionen Franken den Wert der Staats- 
domänen in Bulgarien und Ostrumelien. Die Türkei verzichtet auf ihre 
Rechte aus § 9 des Berliner Friedens: auf den bulgarischen Tribut, auf 
den auf Bulgarien fallenden Anteil an der türkischen Staatsschuld, ebenso 
auf die Rückstände in der Zahlung des Ostrumelischen Tributs, wie er 
durch das Organische Statut festgesetzt war. Vom 5. Oktober 1908 bis zu 
Ratifizierung wird Bulgarien der Türkei 5 Prozent Zinsen von 40 Mil- 
lionen Franken bezahlen, die den Ostrumelischen Tribut darstellen. 
4. Durch eine Erklärung, die zugleich mit diesem Abkommen unter- 
zeichnet werden soll, verzichtet die Bulgarische Regierung auf jede Forde- 
rung aus § 10 des Berliner Vertrages Punkt 1 bezüglich der Eisenbahn 
Rustschuk-Warna. Die Türkei nimmt diese Erklärung zur Kenntnis. 
5. Die Fragen und Forderungen, die sich auf die Wakufs, die 
religiösen Gemeinden, die Posten, Telegraphen und Leuchttürme und die 
Sanitätsverwaltung beziehen, bleiben einer unmittelbaren Vereinbarung 
zwischen der Türkei und Bulgarien vorbehalten. Ebenso bleiben außerhalb 
des gegenwärtigen Abkommens die Schulden Bulgariens an die Orient- 
bahn für Transporte, beschlagnahmtes Material usw. sowie für Entgang 
der Betriebseinnahmen. 
Petersburg, 7./20. April 1909. 
Das türkisch-bulgarische Abkommen, das in Ausführung des obigen 
am 3. März d. J. ad referendum unterzeichneten russisch-türkischen Protokolls 
abgeschlossen worden ist, lautet: 
1. Die bulgarische Regierung nimmt Kenntnis von den Bestim- 
mungen des genannten Protokolls, erklärt ihnen vollkommen zuzustimmen 
und gegenüber der Türkei auf alle Forderungen bezüglich der Eisenbahn 
Rustschuk— Warna aus Punkt 1 des § X des Berliner Vertrags zu verzichten. 
Die Türkei verzichtet ihrerseits gemäß § III des russisch-türkischen Protokolls 
von Petersburg auf jede materielle Forderung gegen Bulgarien und Ost- 
rumelien bis zum 22. September /5. Oktober 1908. Am Schluß des § III 
des erwähnten Protokolls wird folgender Satz hinzugefügt: „Vom 5. Ok- 
tober 1908 an wird Bulgarien der Türkei bis zur Ratifizierung des gegen- 
wärtigen Protokolls 5 Prozent Zinsen auf die 40 Millionen Franeen be- 
zahlen, die den ostrumelischen Tribut darstellen.“" 
2. Das beigeschlossene Abkommen über die Ordnung der moham- 
Iswolski. Rifaat.
	        
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