Serbien. (Februar 27. — Marz 6.) 615
Brüdern führt, von denen wir durch Bosnien getrennt sind, das Oesterreich
heute endgültig zu seinem Gebiete machen will.“
27. Februar. (Skupschtina.) Der Finangausschuß genehmigt
alle vom Kriegsminister geforderten Kredite.
Kronprinz Georg erlaubt sich heftige Demonstrationen gegen die
schlappe Regierung seines Vaters und gilt als der Abgott der Kriegspartei.
W. Februar. Trotz des Rates der russischen Regierung an
Serbien. rundweg zu erklären, daß es auf Gebietsforderungen nicht
bestehe und sich in allen Fragen auf die Entscheidung der Mächte
verlasse, verlangt die serbische Presse einen Krieg auf Leben und
Tod. Der Empfang des Kronprinzen durch den Zaren sei nach
der jetzigen amtlichen Stellungnahme Rußlands nur Lug und Trug
gewesen.
2. März. Vorstellung der Großmächte.
Der russische Gesandte Sergejew erscheint beim Minister des Aeußern
Milowanowitsch und erteilt ihm im Auftrag der russischen Regierung den
freundschaftlichen Rat, Serbien möchte von den Forderungen nach terri-
torialen Kompensationen und der Autonomie Bosniens und der Herzego-
wina absehen, da diese Forderungen bei den europäischen Großmächten
keine Unterstützung finden könnten. Im Laufe des Nachmittags erscheinen
dann die diplomatischen Vertreter Englands, Frankreichs, Deutschlands und
Italiens beim Minister des Aeußern und erteilen der serbischen Regierung
ähnliche Ratschläge. Der Minister des Aeußern nimmt von den Vor-
stellungen Kenntnis. Hierauf findet unter dem Vorsitz des Königs ein
Ministerrat statt. Nach dreistündiger Beratung wird einstimmig beschlossen,
auf die Vorstellungen der Großmächte zu erwidern, daß Serbien die For-
derungen, die von der nationalen Skupschtina in einer Resolution auf-
gestellt worden seien, nicht zurückziehen könne. Serbien hoffe noch immer
auf die Gerechtigkeit Europas, könne aber von den territorialen Forde-
rungen und der Forderung nach der Autonomie Bosniens und der Herze-
gowina nicht Abstand nehmen.
2. März. Die russische Regierung erhebt „freundschaft-
liche Vorstellungen“":
Wir konstatieren mit Befriedigung, daß die königliche Regierung bei
ihrem Beschluß verharrt, ihre friedliebende Haltung nicht aufzugeben, daß
sie alles vermeidet, was einen bewaffneten Konflikt zwischen Serbien und
Oesterreich--Ungarn herbeiführen könnte, und daß sie keine militärischen
Maßnahmen an der Grenze treffen wird, und daß sie alles, was sich auf
die Lösung der offenen Fragen bezieht, dem Beschluß der Großmächte über-
läßt. Dann werden die Mächte alle ihre Mühe zugunsten der serbischen
Interessen verwenden können.
5. März. Das Amtsblatt veröffentlicht ein Ausfuhrverbot
für Cerealien aller Art.
6. März. Verfehlter serbischer Schachzug.
Halbamtlich wird in Belgrad bekannt gegeben: „Im Zusammen-
hange mit den Verhandlungen, die zwischen den Signatarmächten des Ber-
liner Vertrages in der Richtung geführt wurden, daß Serbien seine For-