Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Iebersit ü#er die wolitische Entwichelung des Jahres 1909. 687 
patriotische Opferwilligkeit fördernden Weise zu beeinflussen. So 
erklären sich die Forderung von vier neuen im Flottenbauprogramm 
nicht vorgesehenen Dreadnoughts und die Versicherung, daß die 
englische Regierung es an Vorschlägen zu einer Abrüstung Deutsch- 
land gegenüber nicht hat fehlen lassen. Bei den Verhandlungen 
über das Marinebudget betonte aber der erste Lord der Admiralität 
Mac Kenna die angebliche Beschleunigung des deutschen Flotten- 
programms und die Möpglichkeit, daß Deutschland im Frühjahr 
1912 statt der programmäßigen 18 schon 17 Panzerschiffe neuester 
Bauart haben werde (S. 460). Diese Rede wurde sofort in der 
Budgetkommission des Reichstages kommentiert (S. 105). Richtig- 
stellungen durch den Staatssekretär v. Schoen (S. 109), den Fürsten 
Bülow (S. 119) und den Staatssekretär v. Tirpitz (S. 123) waren 
die Folge. Der Reichstag würdigte die durch die Haltung der 
englischen Regierung herbeigeführte Situation, indem er am 
27. März den ganzen Marineetat in 1½/ Stunden fast ohne De- 
batte nach der Vorlage der Regierung annahm. Um so sonder- 
barere Blüten trieb in England die Furcht vor einer deutschen 
Invasion durch Luftschiffe, in England untergebrachte deutsche 
Soldaten und Kriegsmaterial (S. 468). Sie bildeten einen 
komischen Gegensatz zu den gegenseitigen offiziellen Besuchen von 
Arbeitern, Stadtverordneten und Geistlichen. Die künstliche Stim- 
mungsmache mit deutschfeindlicher Tendenz, wie fie von der eng- 
lischen Regierung, einzelnen Parlamentariern und der Presse be- 
trieben wurde, verlor ihre Gefährlichkeit, weil sich in Deutschland 
infolge des Ganges der Balkankrise die Furcht vor einer von 
England ausgehenden „Einkreisungspolitik“ vollständig verflüchtigt 
hat. Den alten Wahlspruch „si vis pacem para bellum“ be- 
herzigten aber durch Förderung moderner Schiffsbauten außer 
England und Deutschland auch Frankreich, Oesterreich-Ungarn, 
Syanien, die Vereinigten Staaten, Kanada und Australien. Er- 
freulich ist das Resultat der am 26. Februar in London beendeten 
Seekriegskonferenz der Mächte, da über die Behandlung der Neu- 
tralen wichtige Bestimmungen angenommen worden find (S. 107 
bis 109).
	        
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